W.O.L.F.

Ein Name, so ausdruckslos und doch bedeutungsvoll.

Ein Name, der Schrecken verbreitet.

Ein Name, der bisher mein Ein und Alles war.

 

Wild, offensiv, loyal, furchtlos. Diese vier Eigenschaften gelten als Voraussetzung, bestimmen die gesamte Existenz in und mit der Gang. Wer sich ihrer nicht würdig erweist, wird ausrangiert, so einfach war das. Doch war es wirklich einfach?

Für einen kleinen Jungen, gerade mal zwölf Jahre alt, der von einem Augenblick auf den anderen alles verloren hatte, war es das ganz gewiss nicht. Doch welche Wahl hatte man in der Welt da draußen schon, einsam und auf sich allein gestellt?

Sollte man also die Möglichkeit auf einen Neuanfang, auf die Zugehörigkeit zu etwas Größerem, einer neuen, eigenen Familie nicht ergreifen? Ich tat es damals und  es erwies sich als der größte Trumpf meines Lebens.

Man hatte mich aufgenommen, mir ein Zuhause gegeben und umgeben von brüderlicher Vertrautheit hatte ich eine Menge lernen können. Der Tag, an welchem ich meine erste, eigene Lederjacke mit dem aufgedrucktem Wolfskopf erhielt, hatte mich mit solchem Stolz erfüllt, dass ich alle letzten Zweifel in den Wind schlug. Endlich war ich ein vollwertiges Mitglied und es war leicht, die Vergangenheit hinter mir zu lassen. Ein neues Leben hatte für mich begonnen, ein Leben voller Gewalt, Grausamkeit und sogar Tod, doch das erschreckte mich nicht. Ich war daran gewöhnt, hatte damit leben gelernt und zum Wohle der Gang war mir jedes Mittel recht. Denn das erste Gebot lautete: „Die Gang und die Kameraden stehen über allem anderen!“

Es klang wie Musik in meinen Ohren, wann immer ich diese Worte vernahm, doch hätte ich niemals gedacht, dass sich das jemals ändern würde. Soweit ich mich zurück erinnern konnte, war die Gang für mich alles gewesen, hatte mein Leben bestimmt, geregelt und mir alles bedeutet.

Doch dann bin ich plötzlich dir begegnet.

Wie ein frischer Wirbelwind bist du erbarmungslos und unaufhaltsam in mein Leben getreten, hast unbewusst davon Besitz ergriffen und zum ersten Mal habe ich begonnen unsere Prinzipien in Frage zu stellen. Plötzlich gab es mehr für mich, als lediglich die Gang und ich entwickelte Träume und Sehnsüchte. Vielleicht sogar Liebe? Ja, vielleicht auch das…

Doch wie nur könnte eine solche Zukunft mit dir aussehen? Würde es überhaupt eine Zukunft für uns geben? Ich habe betrogen, gekämpft und getötet ohne auch nur einen Anflug von Skrupel oder Reue dabei zu empfinden. Wie also solltest du so jemanden wie mich überhaupt lieben können?

Und was würde mit der Gang geschehen, wenn sie herausfinden würden, dass sie bei mir nicht mehr länger an erster Stelle standen? Würden sie es akzeptieren und mich ziehen lassen? Nein, niemals, denn wer sich der Gang nicht als würdig erweist, wird ausrangiert. So einfach war das. Ja, so einfach…

Wenn ich nur ein anderer gewesen wäre, ein anderes, ehrenhaftes Leben geführt hätte, hätte es vielleicht auch für uns beide ein glückliches Ende finden können. Gemeinsam…

Was für ein schöner Traum.

 


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