Piep, Piep, Piep.

Verschlafen öffnete ich die Augen und starrte durch ein paar rosa Haarsträhnen, die mir ins Gesicht hingen, böse zur Lärmquelle. Mein Wecker stand auf meinem Nachttisch und piepste weiter munter vor sich her, bis ich genervt den Arm hob und das Ding zum Schweigen brachte. 

Ich rappelte mich mühsam auf und knipste meine Nachtischlampe an. Die Schwärze in meinem Zimmer wurde nun vom sanften Schein der Lampe verdrängt und ich schlug ruckartig die Bettdecke weg. Sofort fraß sich die Kälte durch meinen dünnen Schlafanzug und ich fröstelte. Schnell erhob ich mich und eilte zum Kleiderschrank, aus dem ich ein paar Klamotten für den heutigen Tag kramte. Als ich endlich mit meiner Auswahl zufrieden war, wollte ich mich wie gewohnt ins Bad verziehen um mich frisch zu machen, doch ich stockte. Mein Blick verfinsterte sich und böse starrte ich den kleinen Talisman an, den ich gestern achtlos auf meinen Schreibtisch geschmissen hatte. 

Zwei ganze Tage war er nun schon in meinem Besitz und da seit dem ersten Abend nichts weiter geschehen war und ich diesen komischen Typen auch nie wieder gesehen hatte, hielt ich das ganze mittlerweile wirklich nur für einen schlechten Scherz. Zumindest bis gestern…

 

Rückblick:

Das warme Wasser rieselte auf mich herab und ich drehte mich noch ein letztes Mal unter dem warmen Wasserstrahl, ehe ich meine Haare auswrang und aus der Dusche stieg. Schnell wickelte ich mir ein Handtuch um den nackten Körper, um mich vor der aufkommenden Kälte zu schützen. Ich blickte in den großen Spiegel, welcher über dem Waschbecken hing und drehte mein Gesicht erst nach links, dann nach rechts. Ein resigniertes Seufzen entwich mir, als ich mir mal wieder eingestand, dass an mir absolut nichts besonders war. Das einzige Auffällige waren vielleicht meine rosa Haare, doch die brachten mir oft nur schiefe Blicke und dumme Sprüche ein. Viele dachten ich hätte meine Haare einfach rosa gefärbt um Aufmerksamkeit zu bekommen, doch wenn diese Idioten wüssten, dass das meine Naturhaarfarbe war, würde ihnen das blöde Lachen im Halse stecken bleiben! 

Ich erinnerte mich an die unzähligen Färbeversuche zurück, bei denen ich beinahe alle Farben ausprobiert hatte, um das nervige rosa von meinem Kopf zu verbannen. Allerdings erwiesen sich meine Haare als extrem widerspenstig, denn eine Hälfte nahm die Farbe gar nicht erst an und bei der anderen Hälfte schimmerte das rosa immer durch und schon nach einer Woche war die neue Farbe wieder gänzlich verschwunden. 

Es war einfach zu deprimierend und nach einer Weile hatte ich es aufgegeben sie verändern zu wollen. 

Doch bis auf meine Haare stach ich unglücklicherweise nicht gerade aus der Masse heraus und neben der attraktiven Ino ging ich geradezu unter. Mit einem weiteren Seufzen wollte ich die deprimierenden Gedanken verdrängen und mich gerade vom Spiegel abwenden, als ich jedoch zwei dunkle Augen im Spiegel sah, die mich musterten. Ein lauter Schrei entwich mir, doch eine fremde Hand presste sich auf meinen Mund um diesen zu ersticken. 

„Ich sagte doch, dass du nicht schreien sollst. Warum müssen Menschen auch immer so laut sein?“, fragte er mit seiner dunklen Stimme und verzog gequält das Gesicht. Zusätzlich legte er seine spitzen Wolfsohren an und ich stellte erstaunt fest, dass er sich dieses Mal nicht die Arbeit machte, diese zu verstecken.

Wütend stieß ich seine Hand weg und drehte mich schwungvoll zu ihm um, allerdings nicht ohne das Handtuch fest zu umklammern. 

„Was suchst du hier?“, fauchte ich ihn an, doch er wirkte nur verwirrt.

„Wir haben einen Vertrag, schon vergessen?“

„Nein, aber das meine ich nicht!“, zischte ich. „Ich will wissen, warum du hier in meinem Badezimmer bist.“ 

Er hob eine Augenbraue und sah sich kurz um, als bemerke er erst jetzt, wo er war. Dann begann er plötzlich spöttisch zu grinsen. „Als ob es bei dir viel zu sehen gäbe“, brachte er belustigt hervor und mir schoss die Röte ins Gesicht, denn mir wurde bewusst, dass er wohl mehr gesehen hatte, als er sollte. Ich öffnete den Mund und wollte ihm eine schlagfertige Antwort entgegenschmettern, doch mein Kopf war vor Scham wie leergefegt. Mein Mund schloss sich wieder, als ich beschloss, wenigstens das letzte bisschen Würde vor ihm zu bewahren und ihn nicht auch noch mit offenem Mund anzugaffen wie ein Fisch. Böse funkelte ich ihn an, doch er lehnte sich nur lässig an unsere mit Fliesen ausgelegte Badezimmerwand und blickte mir herausfordernd entgegen. Oh dieser Kerl wurde mir immer unsympathischer!

Ich wirbelte herum und verließ schnellen Schrittes das Badezimmer, die Tatsache ignorierend eine Nasse Spur hinter mir herzuziehen. Im Moment wünschte ich mir nur, dass meine Eltern nicht zu diesem bescheuerten Geschäftsessen gefahren und ich somit nicht alleine mit diesem Idioten wäre. Ich hoffte, er würde wie beim letzten Mal einfach wieder verschwinden, doch Fehlanzeige! Er trottete gemütlich hinter mir her, ich konnte seine Schritte hören. 

„Du tropfst“, merkte er unnötigerweise an. Das wusste ich selbst, verdammt! 

In meinem Zimmer angekommen ließ ich einen ratlosen Blick durch den Raum schweifen, denn ich hatte absolut keine Ahnung, was ich jetzt machen sollte. Plötzlich kam mir mein dramatischer Abgang aus dem Bad doch nicht mehr als so gute Idee vor und unschlüssig stand ich nun da.

„Was willst du verdammt?“, flüsterte ich schon beinahe verzweifelt, doch ich wusste, dass er mich hörte. Wie zur Bestätigung entfuhr ihm ein genervtes Stöhnen. 

„Das hab ich dir das letzte Mal schon gesagt. Deine Seele, was sonst.“

Ich drehte mich zu ihm um und sah ihn herausfordernd an.

„Die kriegst du aber nicht“, beschloss ich und streckte selbstsicher das Kinn nach vorne. Er zog fragend eine Augenbraue nach oben, ehe sein selbstgefälliges Grinsen aus seinem Gesicht verschwand. 

„Wer hat gesagt, dass du eine Wahl hast?“, fragte er zornig und jetzt war es an mir zu grinsen. 

„Na wenn du sie dir einfach nehmen könntest, hättest du das wohl schon getan, oder nicht? Also heißt das, dass ich sie dir geben müsste und das werde ich NICHT tun.“ Ich sprach betont langsam und als ich den erschrockenen Ausdruck sah, der kurz über sein Gesicht huschte, wusste ich, dass ich mit meiner Vermutung richtig lag. Die Freude über meinen kleinen Sieg hielt jedoch nicht lange, denn schon kurze Zeit später wurden mir die negativen Folgen meiner kleinen Provokation bewusst. Er wurde wütend!

In weniger als einer Sekunde fand ich mich plötzlich hart gegen meinen Schrank gepresst wieder und blinzelte erschrocken. Er hatte meine Handgelenke über meinen Kopf gezogen und hielt sie dort fest, während er sich leicht nach vorne beugte, sodass sein Mund nur noch wenige Zentimeter von meinem Ohr entfernt war.

„Ich lasse mich von dir nicht zum Narren halten“, sprach er leise, doch seine ruhige Stimme erschreckte mich bei weitem mehr, als hätte er mit voller Kraft losgebrüllt. 

„Ich werde deine Seele bekommen. Denn ich bekomme immer, was ich will“, fügte er an und seine rechte, freie Hand strich beinahe zärtlich über meine Wange. Ich zweifelte nicht eine Sekunde an seinen Worten und ein Zittern durchfuhr meinen Körper, als ich plötzlich von einer unglaublichen Angst erfasst wurde. Seine Hand wanderte hinab und umfasste meinen Hals. Ich begann wie wild zu zappeln, doch er schien keine Kraft aufwenden zu müssen um mich an Ort und Stelle zu halten. Sein Griff um meine Handgelenke war eisern und sein an mich gepresster Körper gab mir nicht viel Spielraum. Ich glaubte den Boden unter den Füßen zu verlieren, als ich versuchte ihn zu treten, doch vergebens. 

„Weißt du, wie leicht es wäre, dir deinen kleinen Hals umzudrehen? So einfach…“ Mir blieb der Atem weg, als ich vor Furcht die Luft anhielt und darauf wartete, dass er zudrücken würde, doch er tat es nicht. Stattdessen wanderte seine Hand tiefer, über mein Schlüsselbein und weiter hinab bis sie den Stoff meines Handtuchs berührte. Mittlerweile flossen mir ungehindert Tränen aus den Augen und ich hatte den Kopf abgewendet.

„Nicht…“ flüsterte ich mit zitternder Stimme, doch ich hatte es aufgegeben mich zu wehren, denn bei einer körperlichen Konfrontation hatte ich absolut keine Chance.

„Das nächste Mal werde ich es nicht dabei belassen“, zischte er. Ohne jede Vorwarnung war der Widerstand vor meinem Körper verschwunden und ich fiel wie ein nasser Sack zu Boden. Unter Zittern versuchte ich wieder aufzustehen, doch ich schaffte es lediglich eine sitzende Position einzunehmen. An meinen Schrank gelehnt, schweifte mein Blick durchs Zimmer, doch Sasuke war wieder verschwunden.

 

Immer noch unschlüssig stand ich vor meinem Kleiderschrank, nicht sicher ob ich ins Bad gehen sollte oder nicht. Wie wahrscheinlich war es, dass er einfach wieder auftauchte? Ich hatte seine Warnung, dass er es das nächste Mal nicht dabei belassen würde, durchaus verstanden und ein Gefühl sagte mir, dass er es todernst meinte. Ein unangenehmes Kribbeln durchzog meinen Körper, als ich langsam die Angst wieder in mir aufsteigen spürte. Nach seinem gestrigen Verschwinden hatte es glatte drei Stunden gedauert, bis ich mich wieder halbwegs beruhigen konnte. Auf eine neue Welle aus Angst, Abscheu und Entsetzen konnte ich getrost verzichten! 

Doch es würde nichts bringen, mich für den Rest meines Lebens in meinem Zimmer einzuschließen, aus Angst dieser Dämon könnte wieder auftauchen. Mit gutem Vorsatz, etwas mutiger zu werden, ging ich erhobenen Hauptes ins Bad, musste aber frustriert feststellen, dass ich trotz allem meine Morgentoilette in Rekordzeit erledigte. 

Widererwartend tauchte doch kein böse dreinblickender Sasuke auf und ich atmete erleichtert auf. Als ich mich in unsere gemütliche Küche verzog um zu frühstücken, kam zwischendurch meine Mutter dazu und teilte mir mit, dass sie und mein Vater heute Abend wieder spät nach Hause kommen würden. Ich nickte lediglich, denn ich war an die Abwesenheit meiner Eltern schon ziemlich lange gewöhnt, auch wenn es mir unter den momentanen Umständen lieber wäre, abends nicht alleine zu sein. Doch was sollte ich ihr schon sagen? Dass ich irgendwie einen ominösen Vertrag mit einem bösen Dämon geschlossen habe, der mir nun nach der Seele trachtet und mich gestern Nacht obendrein bedrohte? Sie würde mir wohl nur einreden, dass ich mir das alles einbildete und mich bei Gelegenheit bei einem Psychologen vorbeischicken.

Herrgott nicht mal ich würde mir glauben, wenn ich es nicht selbst erlebt hätte. Nein in dieser Sache war ich wohl vollends auf mich alleine gestellt. 

 

Nachdem ich schließlich mit allem fertig war, machte ich mich auf den allmorgendlichen Weg zum Bus. Ich verließ das Haus und wollte gerade nach links in den kleinen Wald einbiegen, als ich jedoch eine Person vor unserer Garage entdeckte. Meine Augen weiteten sich, als ich ihn erkannte. Das durfte doch nicht wahr sein! Verdammt, verdammt, verdammt!

Er stand lässig vor unserem Garagentor und starrte es an, als wäre es das Faszinierendste, das er je gesehen hatte. Mit weit aufgerissenen Augen drehte ich mich um und lief schnellen Schrittes, als hätte ich ihn nicht gesehen in den Wald. Ich hoffte nur, dass ihn das Garagentor so verzauberte, dass er meine Anwesenheit nicht mitbekommen hatte. Jedoch hoffte ich mal wieder vergebens, denn schon kurz darauf konnte ich seine Schritte hinter mir hören.

„Warum so eilig?“, fragte er und war im nächsten Moment schon neben mir. Erstaunt musste ich feststellen, dass er locker mit meinem schnellen Tempo mithalten konnte und es ihn scheinbar nicht einmal anstrengte, während ich bereits schwer atmete. 

„Ja, ich muss zum Bus“, erklärte ich, doch wusste ich nicht einmal warum ich mich ihm überhaupt erklärte. Als Reaktion erhielt ich ein leises „Hn“, allerdings machte er keine Anstalten zum Reden anzusetzen oder wieder zu verschwinden. Er wollte doch nicht mitkommen, schoss es mir durch den Kopf und ich musterte ihn kurz. Seine Wolfsohren waren verschwunden und stattdessen erkannte ich unter seinen schwarzen Haaren normale menschliche Ohren. Er trug eine dunkle Jeans und einen grauen Kapuzenpulli. Seine Hände hatte er lässig in den Hosentaschen vergraben und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich ihn für einen normalen Jungen halten. 

 

Ich blieb abrupt stehen und er warf mir einen fragenden Blick zu, als er ebenfalls stehen blieb. Ich öffnete den Mund um zu fragen, was er wollte, doch schloss ihn im gleichen Augenblick wieder. Wenn ich die Frage so stellte, würde seine Antwort sicher wieder lauten: ‚Deine Seele‘, also musste ich die Frage anders stellen. 

„Ehm… Willst… willst du auch in die Stadt?“, fragte ich, da mir einfach nichts besseres einfiel, doch er runzelte die Stirn.

„In die Stadt? Was soll ich da?“ Er legte leicht den Kopf schief. „Na einkaufen oder so. Tut ihr Dämonen das nie?“ Mir wurde bewusst, dass ich absolut gar nichts über Dämonen und den ganzen Kram wusste und da er gerade nicht wütend schien, sah ich es als passende Gelegenheit ein paar Fragen beantwortet zu bekommen.

„Einkaufen? In der Menschenwelt? Wozu?“ Ich zog eine Schnute, da er mir lediglich mit Gegenfragen konterte, anstatt zu antworten. 

„Nunja… ich weiß nicht“, gestand ich und begann wild mit den Händen zu gestikulieren. „Du sagst Menschenwelt… Also gibt’s eine Art Dämonenwelt? Oder lebst du in der Hölle? Gehst du dort einkaufen?“ 

Ich runzelte nun ebenfalls die Stirn, als mir auffiel, was für einen Blödsinn ich hier faselte. In der Hölle  einkaufen? Nicht dein bester Einfall, Sakura! Er seufzte gequält, schien jedoch nach wie vor nicht verärgert. Glück gehabt.

„Wir Dämonen leben einer Welt, die ihr Menschen Hölle nennt. Allerdings leben dort ausschließlich Dämonen. Es regiert kein Teufel und sündige Menschen kommen nach dem Tod auch nicht da hin. Das ist alles Aberglaube. Und nein wir gehen nicht einkaufen wie ihr, in unserer Welt läuft das alles anders.“ Er ratterte seinen Text herunter, wie einen auswendig gelernten Bericht, doch ich nickte verstehend. Die Vorstellung merkwürdig aussehende Dämonen würden in einen Supermarkt gehen und sich über ein Regal Gemüse beugen kam mir auch etwas absurd vor. Apropos Gemüse… Was aßen Dämonen eigentlich? Irgendwas sagte mir, dass mir die Antwort nicht gefallen würde, also fragte ich ihn das lieber nicht. 

„Also wenn es keine Hölle gibt, wo man nach dem Tod hinkommt, gibt es dann auch keinen Himmel? Ich meine, was passiert, wenn wir sterben? Verschwinden wir dann einfach?“ Er stieß erneut einen gequälten Seufzer aus.

„Nein, ihr verschwindet nicht einfach. Der Tod bedeutet nur, dass der Geist vom Körper getrennt wird und in die Totenwelt übergeht, ins sogenannte Jenseits.“ 

„Ins Jenseits…“, murmelte ich. „Und wie kann ich mir das Jenseits vorstellen? Ich meine, ist es eine graue Welt in der durchsichtige Geister umherwandern oder…?“ Ich brach meine Frage ab, als er genervt mit den Augen rollte.

„Ich bin ein Dämon, aber nicht tot. Woher soll ich wissen, wie es im Jenseits aussieht? Außerdem hatte ich bisher nie das Bedürfnis verspürt, es herauszufinden.“ Ich schnalzte unzufrieden mit der Zunge, da er scheinbar doch nicht auf alle meine Fragen eine Antwort wusste. Gerade als ich zur nächsten Frage ansetzen wollte, fiel mein Blick allerdings auf meine kleine Armbanduhr und ich erschrak.

„So ein Mist, ich verpasse meinen Bus!“, schrie ich panisch und sprintete bereits los. Ich spürte seinen verwirrten Blick auf meinem Rücken, doch hatte ich jetzt dafür keine Zeit. 

 

Zum Glück erreichte ich den Bus gerade noch rechtzeitig und suchte mir schwer atmend einen freien Platz. Zu meiner Überraschung schien mir Sasuke dieses Mal nicht gefolgt zu sein. Offensichtlich hatte er für heute genug von meinen Fragen. Konnte mir nur Recht sein.

Der Bus hielt noch sieben weitere Male und an jeder Haltestelle drängten sich weitere Massen an Schülern hinein, sodass es nicht lange dauerte, bis die Wenigen, die einen Platz ergattern konnten, unsanft gegen die Scheiben gedrückt wurden. Unglücklicherweise war unsere Schule ziemlich groß, sodass nicht nur mein Bus morgens überfüllt war. Von Ino und Tenten, die zusammen mit einem anderen Bus fuhren, wusste ich, dass bei ihnen das gleiche morgendliche Gedränge herrschte. Man könnte es beinahe schon unter Ritual verbuchen. 

Unter dem ganzen Stimmengewirr und Krach der anderen Fahrgäste war schwach die genuschelte Stimme des Busfahrers zu hören, der gerade die achte Haltestelle ansagte. Meine Schule…

Ich blieb ruhig auf meinem Platz sitzen, während die anderen Schüler sich wie wild aus dem überfüllten Bus drängten und jeder mitgezogen wurde, der der Masse auch nur einen Zentimeter zu nahe gekommen war. Als der große Schwung bereits draußen war, folgte ich und stand keinen Augenblick später vor unserem großen Schulgebäude. Es war ein vierstöckiges rotes Backsteinhaus, mit einem ebenso rotem Ziegelsteindach. Das Gebäude war in drei große Komplexe unterteilt, einen für die Unterstufe, einer für die Mittelstufe und der letzte für die Oberstufe. Der Pausenhof lag hinter der Schule und war, abgesehen von dem meterhohen Metallzaun, der oftmals an ein Gefängnis erinnerte, mit seiner großen Grünfläche, den vielen Bänken und Bäumen recht hübsch anzusehen. Gleich neben der großen doppelflügeligen Eingangstür standen Ino und Tenten, die wie jeden Morgen bereits auf mich warteten. Ich wollte gerade zu ihnen gehen, als mir jedoch eine Person auffiel, die kaum 3 Meter entfernt an einem Baum gelehnt stand und unnatürlich fiele Blicke auf sich zog. So ein Mist und ich dachte schon, er hätte vorerst genug!

Blöderweise erkannte mich Ino genau im gleichen Moment wie er und winkte mir aufgeregt zu. Jetzt hieß es schnell nachdenken! Würde ich ihn da stehen lassen und ignorieren, würde er mir ganz sicher folgen und das konnte peinlich enden. Gerade vor meinen Freunden!

 

Ich schenkte Ino rasch ein entschuldigendes Lächeln, sprintete zu ihm herüber und zog ihn hinter eine dicke Eiche um ihn vor fremden Blicken abzuschirmen. Unzufriedenes Gemurmel und miese Sprüche flogen mir hinterher, jedoch interessierten die mich gerade nicht. 

„Was machst du hier?“, fauchte ich und blickte ihn vorwurfsvoll an. Er war jedoch ganz ruhig und zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. „Du bist vorhin so schnell verschwunden, also hab ich hier gewartet.“

„Aber… Das ist meine Schule! Du kannst hier nicht einfach auftauchen.“ 

„Warum nicht?“ Er schien verwirrt. 

„Na… na weil das meine Schule ist.“ Ihn schien meine Antwort nicht gerade zufrieden zu stellen, also fing ich an unwillkürlich mit den Händen zu gestikulieren. Leises Gekicher drang zu mir und als ich mich umdrehte, erkannte ich tatsächlich drei Mädchen, die nicht weit entfernt von uns standen und sich so nach vorne beugten, dass sie problemlos zu uns sehen konnten. Eine zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Sasuke und begann aufgeregt zu kichern. Ihre Freundinnen taten es ihr gleich. Blöde Hühner!

„Siehst du das!“, meinte ich und zeigte auf die drei Gänse. Er folgte meiner Geste und die drei Mädchen fuhren sofort zusammen und liefen knallrot an, als sie bemerkten, dass er sie musterte. 

„Was soll mit denen sein?“ fragte er und klang verwirrt. Ein theatralisches Seufzen entwich mir und ich warf kapitulierend die Hände in die Luft.

„Also gut, sag mir endlich was du willst und dann verschwinde.“

Jetzt war es an ihm zu seufzen. „Wie oft hab ich dir das jetzt schon erklärt? So begriffsstutzig kannst du doch gar nicht sein. Selbst für einen Menschen ist das ziemlich schwach“, behauptete er und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich spürte mal wieder die altbekannte Wut in mir aufstieg und schmetterte ihm in Gedanken zahllose Beschimpfungen und Flüche an den Kopf. Äußerlich hingegen blieb ich vollkommen ruhig, denn eine weitere Szene wie gestern Abend und noch dazu in der Öffentlichkeit brauchte ich nicht gerade. 

Ich zuckte jedoch plötzlich zusammen, als ich Ino’s Stimme hörte, die nach mir fragte und viel zu nah klang. Panisch machte ich einen Schritt auf Sasuke zu und sah ihn beinahe schon flehend an.

„Schnell, Ino kommt. Du musst verschwinden.“ Ich sah, wie sich Widerstand in seinen Augen spiegelte und er den Mund öffnete um zu widersprechen.

„Ich gehe nicht, bevor…“, ich unterbrach ihn, als ich meinen Namen direkt hinter dem Baum hörte und mir bewusst wurde, dass es sich nur noch um Sekunden handeln konnte, bis Ino neben uns auftauchen würde.

„Ja, ja ok. Du kriegst meine Seele…. Heute Abend! Aber… geh jetzt!“, der schrille Ton meiner Stimme überraschte mich, doch er schien kurz zu überlegen, ehe er zu grinsen anfing, nickte und verschwand. Keine Sekunde zu früh, denn schon im nächsten Augenblick stand Ino neben mir, die mich neugierig musterte.

„Saku, alles in Ordnung? Was ist los mit dir? Warum versteckst du dich hinter einem Baum?“, fragte sie und sah sich interessiert um. Die Panik legte sich langsam wieder und ich spürte merklich, wie mir das Adrenalin aus dem Blut entwich. Ich versuchte ihr ein beruhigendes Lächeln zu schenken und versicherte ihr: „Alles in Ordnung Ino, tut mir Leid, wir war nur kurz… etwas schwummrig zu mute.“

Sie betrachtete mich besorgt und langsam begann auch mein Gehirn wieder zu arbeiten. Meine Augen weiteten sich von Sekunde zu Sekunde mehr, als mir bewusst wurde, was ich gerade getan hatte!

„Ja, du siehst auch ziemlich blass aus. Vielleicht solltest du doch lieber wieder nach Hause gehen, wenn du dich nicht wohl fühlst.“ Ihre Stimme war getränkt von Sorge, doch ich ergriff ihren Arm und zog sie bereits hinter mir her.

„Nein nein, mir geht es gut. Nicht nach Hause, nur nicht nach Hause“, murmelte ich, als ich eine verdutzte Ino hinter mir herzog und mit ihr im Schulgebäude verschwand. 

Was hatte ich nur getan? Oh verdammt!!!

 


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