„Du bist eben Abschaum, Naruto. Genauso, wie dein Vater…“

Plötzlich öffnete der Blondschopf seine Augen und ich zuckte erschrocken zurück, als uns die Grausamkeit, die von ihm ausging, ins Gesicht schlug. Seine blauen Augen hatten sich rot verfärbt und seine Pupillen sich zu vertikalen Schlitzen verengt. Von Naruto’s alter Freundlichkeit war nichts mehr übrig geblieben, denn nun war er eine Kampfmaschine, die darauf aus war, zu töten. Und sein Ziel war Sasuke… 

 

Noch bevor ich es überhaupt realisieren konnte, hatte Naruto einen gewaltigen Satz nach vorne gemacht und seine Faust raste zielgerichtet auf Sasuke zu. Dieser hatte jedoch mit einem Angriff gerechnet und fing Naruto’s Faust spielendleicht ab.

„Denkst du wirklich, du könntest mich besiegen? Du bist ja weder ein vollwertiger Dämon, noch hast du einen Meister. Was also hast du mir schon entgegenzusetzen?“ Sasuke spuckte ihm die Worte nahezu entgegen und sein arrogantes Grinsen wich ihm dabei keine Sekunde lang aus dem Gesicht. Naruto stieß ein lautes Knurren aus und schrie: „Das zum Beispiel!“ Dann hob er innerhalb weniger Sekunden sein rechtes Bein und trat Sasuke mit voller Kraft in die Seite. Dieses Mal war Sasuke jedoch nicht darauf vorbereitet und wurde aufgrund der Härte des Trittes mehrere Meter weg, gegen einen Baum geschleudert. Dieser ging laut krachend mit ihm zu Boden und ich schlug mir schockiert die Hände auf den Mund. Naruto schien jedoch trotz des Treffers ziemlich angespannt zu sein, denn er fixierte den Punkt, an dem Sasuke gegen den Baum schlug und ging erneut in Kampfposition. Keinen Moment zu früh, denn beinahe zeitgleich stand Sasuke wieder auf den Beinen und schnellte in rasender Geschwindigkeit auf Naruto zu. Ihm stand die Wut ins Gesicht geschrieben, denn nie hätte er damit gerechnet, dass dem Blondhaarigen ein Treffer gelingen würde. Hilflos sah ich dabei zu, wie beide Dämonen auf einander einschlugen, eintraten, durch die Luft segelten und gegen Bäume krachten. Niemand gönnte dem Anderen mehr etwas und selbst Sasuke waren nun die dummen Sprüche vergangen. Ich wusste nicht, was zwischen beiden vorgefallen war, geschweige denn kannte ich Naruto und seine wahren Absichten, doch ich wollte nicht, dass sie sich bekämpften. Aufgrund meiner letzten, flüchtigen Begegnung mit einem Dämon wusste ich, dass solche Kämpfe für einen der beteiligten Dämonen tödlich ausgingen, doch das wollte ich nicht. Aber wie könnte ich das nur  verhindern?

„Hört doch auf“, rief ich, allerdings wusste ich schon, bevor ich es ausgesprochen hatte, dass sie darauf nicht hören würden. Ich sah, wie Naruto zu Boden ging, als ihn ein Fausthieb heftig im Gesicht traf. Er versuchte sich wieder aufzuraffen, jedoch schien ihn der größte Teil seiner Kraft bereits verlassen zu haben. Sasuke allerdings gönnte ihm keine Pause, sondern rauschte rasend schnell auf ihn zu, bereit zum finalen Schlag auszuholen. Ein merkwürdiges Gefühl befiel mich und ich wusste, dass ich diesen fremden Jungen, ganz gleich welche Absichten er eigentlich hatte, hier nicht sterben lassen durfte. Von meinem Gefühl geleitet, sprintete ich nach vorne und tat das wahrscheinlich Dümmste, was ich in diesem Moment tun konnte. Ich stellte mich mit ausgebreiteten Armen zwischen die beiden Dämonen und brüllte: „Sasuke, tu das nicht!“

„Sakura?“, hörte ich Naruto’s Stimme panisch hinter mir fragen, denn offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, dass ich mich zwischen sie werfen würde. „Verschwinde hier!“, brüllte er, jedoch rührte ich mich nicht vom Fleck.

Sasuke allerdings schien weder meinen Schrei noch meine Anwesenheit wahrzunehmen, denn er hielt immer noch, blind vor Wut, mit voller Geschwindigkeit und erhobener Faust auf uns zu und ich kniff zitternd die Augen zusammen. Ich rechnete jeden Moment mit dem Schlag, der mir das Licht ausblasen würde, allerdings packten mich plötzlich zwei starke Arme und rissen mich kraftvoll zur Seite. Ich landete der Länge nach auf dem Boden und hörte zeitgleich einen Knall, als Sasuke’s Faust mit Karacho in die Stelle einschlug, wo ich gerade noch gestanden hatte.

Sein Kopf drehte sich zur Seite und er fixierte Naruto, der schwer atmend neben mir lag und ich wusste, dass er jeden Moment zu einem erneuten Angriff ansetzen würde.

„Sasuke, verdammt, das reicht. Hör endlich auf“, brüllte ich, doch es war sinnlos ihn erreichen zu wollen. Er war seinem Kampf-Rausch derart verfallen, dass er nichts um sich herum wahrnahm. Wie nur konnte ich in diesem Zustand zu ihm durchdringen?

Nebenbei bemerkte ich, wie Naruto sich neben mir aufsetzte und Anstalten machte, aufzustehen, jedoch veranlasste das Sasuke nur, erneut zum Schlag auszuholen. Mein Verstand arbeitete auf Hochtouren… Wie nur konnte ich diesen Kampf zwischen den Beiden beenden? Ich musste etwas tun! Nur was…?

Dann kam mir die Idee und ich hätte über ihre Einfachheit beinahe gelacht. Ich holte tief Luft, ehe ich ihm die hoffentlich rettenden Worte entgegenschrie:

„Ich wünsche mir, dass du ihn in Ruhe lässt, Sasuke.“ Noch bevor die Worte vollends meine Lippen verließen, erstarrte er bereits mitten in seiner Bewegung wie in unsichtbare Ketten gelegt, seine Faust nur wenige Zentimeter von Naruto’s Gesicht entfernt.

Er starrte mich mit einer Mischung aus Unglauben und Wut an, als hätte ich gerade lauthals verkündet, ihm heute Abend die Haare rot färben und ihm anschließend Zöpfchen flechten zu wollen.

„Ist das dein Ernst?“, fragte er gefährlich ruhig und mir wurde ganz mulmig zu Mute. „Du zwingst mich dazu ihn in Ruhe zu lassen? Diesen… Diesen…“ Offensichtlich fand er keine passenden Worte, mit denen er Naruto seiner Meinung nach am besten beschreiben konnte, jedoch wollte ich seine Beleidigungen ohnehin nicht hören. Daher nickte ich einfach und bestätigte: „Ja, das wünsche ich mir.“ Ein eigenartiges Zittern durchfuhr seinen Körper, als er scheinbar versuchte seine Wut zu unterdrücken, allerdings war ich mir ziemlich sicher, dass er mich diesen Wunsch eines Tages bereuen lassen würde.

Dann kniete er plötzlich vor mir, umfasste grob meinen Hinterkopf und presste seine Lippen hart auf meine. Ich erinnerte mich an unsere beiden letzten Küsse, in denen er zärtlich, nahezu schon vorsichtig meine Lippen mit seinen berührt hatte, doch dieser Kuss hier hatte nichts zärtliches. Er war bedrohlich und ließ mich einen Vorgeschmack auf das erhaschen, was mich wohl demnächst noch erwarten würde. Mit einem Ruck entfernte er sich wieder von mir, funkelte mir boshaft entgegen und war plötzlich wieder genauso schnell verschwunden, wie er hier aufgetaucht war.

 

Ich hörte Naruto laut aufstöhnen, als er sich zurück ins Gras fallen ließ und alle Gliedmaßen weit von sich streckte. Besorgt musterte ich ihn, konnte jedoch beruhigt feststellen, dass er bis auf ein paar Schürfwunden nicht weiter verletzt zu sein schien. Mein Blick glitt nach oben, um auch sein Gesicht nach möglichen Verletzungen abzusuchen, jedoch bemerkte ich, dass er mich scheinbar ebenso musterte und als sich unsere Blicke trafen, erstarrten wir beide auf merkwürdige Art und Weise.

„Warum?“, hauchte er und zog die Stirn in Falten. „Warum hast du mich gerettet?“

Ich versuchte über diese Frage nachzudenken, zuckte jedoch letztendlich nur mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht“, gestand ich, musste jedoch plötzlich grinsen, als ich anfügte: „Außerdem hast du mich doch vorhin auch in Schutz genommen.“

„Ja schon“, sagte Naruto langsam und ließ seinen Blick zum Himmel gleiten. „Aber ich bin ein Dämon… H-Hast du denn gar keine Angst vor mir?“ In seiner Stimme schwang ein beunruhigter, nahezu schon ungläubiger Ton mit, doch ich musste zugeben, dass auch ich mir diese Frage schon gestellt hatte.

„Nein, habe ich nicht“, gab ich ehrlich zu und zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. „Ich… Ich weiß auch nicht wirklich warum, aber ich habe einfach ein gutes Gefühl bei dir.“ Mit einem skeptischen Blick sah ich ihm entgegen und fragte: „Müsste ich denn Angst haben?“

Seine Augen weiteten sich daraufhin und er blickte mir misstrauisch entgegen.

„Nein, natürlich nicht.“ Ich wusste nicht, wieso ich seiner Beteuerung Glauben schenkte und wieso ich auch jetzt keine Angst vor ihm hatte, obwohl ich nun die Wahrheit über ihn wusste, aber so war es halt. Ich ließ mich neben ihn ins kühle Gras sinken und betrachtete die hohen Baumwipfel, die so eng aneinander standen, dass man nur schwer den blauen Himmel hinter ihnen erkennen konnte.

Eine Weile blieb es still zwischen uns und ich vermutete, dass er die Zeit ebenso brauchte, um seine eigenen Gedanken zu sortieren. Der Kampf mit Sasuke hatte ihn scheinbar sehr mitgenommen und auch, wenn man ihn äußerlich kaum Verletzungen ansehen konnte, so musste das noch nicht heißen, dass er auch wirklich keine ernsthaften Schäden aus dem Kampf davongetragen hatte.

 Ich wusste, dass Sasuke sehr arrogant sein konnte, aber die Art, wie er den Blondschopf neben mir behandelt und was er ihm alles an den Kopf geworfen hatte, ließ mich erahnen, dass die beiden durchaus eine tiefere, schlechte Bindung zueinander hegten.

Ich blinzelte leicht, als mich vereinzelte Sonnenstrahlen, die es schafften, sich einen Weg durch die Baumkronen zu schlagen, blendeten und wandte leicht den Kopf in Naruto’s Richtung. Er lag neben mir auf dem Gras und schien die Augen geschlossen zu haben.

„Darf ich dich etwas fragen, Naruto?“, brach ich schließlich die Stille und bemerkte interessiert, dass er seinen ganzen Körper daraufhin anzuspannen schien. Er gab ein gemurmeltes Grunzen von sich, dass ich jedoch als Zustimmung auffasste.

„Weißt du… Sasuke und ich haben uns auf einem sehr holprigen Weg kennengelernt und unser Vertrag besteht auch noch nicht allzu lange. Er ist nicht gerade der Gesprächigste, weshalb ich nach wie vor noch so gut wie gar nichts über euch Dämonen weiß. Vorhin hat er dich einen… Halbdämon genannt. Aber was genau bedeutet das überhaupt?“

Langsam öffnete er die Augen und starrte mit einem leeren Blick nach oben in den Himmel. Hin und wieder ballte er seine Hände zu Fäusten, ließ jedoch einen Moment später wieder locker und ich bemerkte, dass dieses Thema ihm nicht zu behagen schien. Lange sagte er gar kein Wort, doch als ich irgendwann dachte, er würde gar nicht mehr antworten, räusperte er sich leicht.

„Ja, richtig. Ich bin nur ein Halbdämon. Ein Mischwerk sozusagen“, sagte er leise und seine Stimme zitterte dabei merklich. Es fiel ihm scheinbar schwer über dieses Thema zu sprechen.

„Mein Vater war ein Fuchsdämon. Groß, mächtig und stark. Meine Mutter jedoch war nur ein einfacher Mensch und beide hatten vor vielen, vielen Jahren einen Pakt miteinander geschlossen. Irgendwann waren sie sich scheinbar näher gekommen und aus dieser Verbindung bin schließlich ich entstanden.“

Ich hatte die Augen weit aufgerissen und starrte den Blondschopf neben mir ungläubig an.  Seine Eltern hatten einen Vertrag miteinander und trotz, dass sie verschiedenen Arten angehörten, konnten sie ein Kind zusammen zeugen? Ich kam jedoch nicht dazu, die Sache zu hinterfragen, da er bereits missmutig weitersprach:

„Ich bin also nichts Halbes, aber auch nichts Ganzes, wie du siehst… Ich bin kein vollständiger Dämon, da menschliches Blut in meinen Adern fließt, aber auch kein ganzer Mensch, schließlich habe ich die Kraft und die Fähigkeiten eines Dämons und altere auch nicht mehr.“ Er zuckte kaum merklich mit den Schultern und ich zog verwirrt die Brauen zusammen.

„Wie alt bist du denn?“

„Diesen Sommer werde ich 346“, erzählte er und musste laut auflachen, als ich fassungslos nach Luft schnappte. Sagte er gerade, er wäre über 300 Jahre alt? Wie konnte das sein? Er sah doch schließlich gerade mal ein bis zwei Jahre älter aus als ich selbst?

„Das ist… sehr alt“, brachte ich mühsam hervor, doch das war wahrscheinlich die Untertreibung des Jahrhunderts!  Er stieß erneut ein lautes Lachen aus, ehe er jedoch plötzlich wieder ernster wurde.

„Ja, allerdings. Es hat zwar auch seine guten Seiten, wenn man nie altert, aber auf Dauer kann es ganz schön bedrückend sein…“, erklärte er leise. Ich nickte verstehend, schließlich stellte ich es mir als ziemlich unerträglich vor, wenn man all die Jahre mit ansehen muss, wie seine Liebsten alt, krank und zerbrechlich werden und irgendwann sterben, während man selbst immer jung und fit bleiben würde. Aber hatte er dieses Problem überhaupt? Vielleicht hatte er auch nur eine Menge dämonischer Freunde, die alle ebenfalls nicht alterten und war mit diesem Problem überhaupt nicht vertraut? Aber was machte er dann hier in der Menschenwelt?

„Kann ich mir vorstellen“, stimmte ich ihm leise zu. „Was ist mit deiner Familie? Hast du da noch irgendwelche lebenden Verwandten?“ Ich versuchte meine Frage vorsichtig zu formulieren, schließlich wusste ich ja bereits, dass seine Eltern beide tot waren. Er zuckte jedoch nur ausdruckslos mit den Schultern, als wolle er nicht wirklich über dieses Thema nachdenken.

„Nein, leider nicht“, sagte er. „Meine Eltern sind beide kurz nach meiner Geburt verstorben, weshalb ich sie nie kennenlernen konnte. Ich wurde daraufhin von meinem Großvater, dem Vater meiner Mutter aufgezogen. Wir lebten damals in einem kleinen Dorf und ich… hab es ihm wahrscheinlich nicht immer leicht gemacht.“ Bei der Erinnerung daran musste er leicht lächeln. „Ich war ein ziemlicher Unruhestifter, musst du wissen. Hatte nur Flausen im Kopf und einen Unfug nach dem nächsten verzapft. Mein Großvater musste mich dann jedes Mal abholen kommen und anschließend hab ich eine ordentliche Tracht Prügel von ihm bezogen.“ Er lachte laut auf, jedoch konnte sein Lachen auch nicht den bekümmerten Unterton darin überspielen. „Er hatte immer ein ziemlich großes Temperament, weißt du? Aber dennoch liebte er mich und ich liebte ihn…

Er war jedoch auch schon sehr alt und eines Tages, als ich wieder mal einige der Dorfbewohner ärgerte, kam er ausnahmsweise nicht laut tobend angerannt. Später erfuhr ich, dass mein Großvater an Altersschwäche gestorben war. Zu diesem Zeitpunkt war ich gerade einmal zwölf Jahre alt und habe anschließend versucht, Kontakt zu den anderen Kindern im Dorf aufzunehmen.

Doch sie wollten mich nicht… Sie hatten gemerkt, dass mit mir etwas nicht stimmte, und das ich irgendwie nicht dazugehörte. Ich musste feststellen, dass mein Großvater mich in all den Jahren versucht hat, vor den Dorfbewohnern zu beschützen, denn nun, als er tot war, begannen sie mich zu beschimpfen, mich mit Sachen zu beschmeißen und letztendlich jagten sie mich mit Schimpf und Schande aus dem Dorf. ‚Monster‘ haben sie mich genannt und schlimmeres. Ich wusste, dass ich in diesem Dorf nicht länger bleiben konnte. Also ging ich und zog Jahrelang ziellos umher.“

Sprachlos starrte ich ihn an und begann zu begreifen, was für ein schweres Leben er in all den Jahrhunderten wohl geführt haben musste. Es schien für mich unbegreiflich, wie man einem kleinen, zwölfjährigen Jungen eine solche Ablehnung entgegen bringen und zulassen konnte, dass er vollkommen allein durch die Wälder und Dörfer streifte, ohne Verwandte, ohne Geld und ohne Zuflucht…

„A-Aber… Aber du bist doch auch ein halber Dämon, oder nicht?“, fiel es mir plötzlich ein und ich blickte ihm gespannt entgegen. „Hattest du denn in der Dämonenwelt bzw. in der Hölle keine anderen Verwandten, die dich vielleicht aufnehmen konnten?“ Er schüttelte jedoch nur mit dem Kopf und ich ließ enttäuscht die Schultern sinken.

„Nein, nicht das ich wüsste“, meinte er leise. „Mein Großvater wusste zwar, dass mein Vater ein Dämon war, jedoch war das auch schon alles, was er von ihm wusste. Bis heute weiß ich nichts weiter von meinem Vater, außer, dass er ein großer Fuchsdämon gewesen sein musste.“

Er legte eine kurze Pause in seiner Erzählung ein, und begann unruhig an dem Saum seines Shirts zu zupfen, als fühle er sich plötzlich Unwohl in seiner Haut.

„Als nach ein paar Monaten meine dämonischen Kräfte in mir erwachten, hatte ich jedoch beschlossen, der Menschenwelt, in der man mich so verachtete, den Rücken zu kehren und ein neues Leben in der Dämonenwelt anzufangen. Ich hatte auch gehofft, dort vielleicht auf den ein oder anderen Dämon zu treffen, der meinen Vater kannte und mit dem ich vielleicht verwandt sein würde, jedoch konnte ich niemanden finden. Letztendlich musste ich aber erkennen, dass die Welt der Dämonen keinen Deut besser war, als die der Menschen… Auch dort schlug mir die gleiche Intensität an Verachtung und Hass entgegen, wie hier und man blickte auf mich herab, weil ich nur ein halber Dämon war. Damals habe ich auch Sasuke kennengelernt…“

Ich horchte auf und bemerkte den frustrierten Unterton in seiner Stimme. Anhand der Auseinandersetzung gerade eben konnte ich mir bereits vorstellen, dass die beiden nicht gerade die dicksten Freunde waren.

„Er war damals schon genauso arrogant, wie heute auch“, plauzte er einfach heraus und verzog sein Gesicht dabei zu einer wutverzerrten Fratze. „Er bildet sich etwas darauf ein, weil er ein Uchiha ist. Er hält sich für groß, stark, mächtig und liebt es auf andere herabzublicken. Wir sind damals oft aneinander geraten, haben gekämpft und uns gestritten.  Das ist wahrscheinlich auch der Grund, weshalb er hier vorhin aufgetaucht ist. Er dachte wahrscheinlich, dass ich mich nun an dir für sein Verhalten damals rächen wollte.“

 

Ich musste ihm zustimmen, denn ich wusste genau, wie arrogant und selbstverliebt sich der Schwarzhaarige manchmal aufführen konnte. Aber ich wusste auch, dass er nicht nur seine schlechten Seiten hatte. Er konnte durchaus rücksichtsvoll und umsichtig sein, wenn er sich anstrengte, und wenn er hier nur aufgetaucht war, um mich fälschlicherweise vor Naruto zu beschützen, konnte ich ihm nicht einmal böse deswegen sein.

„Also hast du all die Jahre über ganz allein gelebt?“, wollte ich nun wissen und spürte immer größeres Mitleid in mir aufsteigen. Die Qualen und die Einsamkeit, die er all die Jahre über ertragen musste, waren für mich einfach unvorstellbar. Er nickte schließlich langsam, jedoch erschrak ich, als er sich abrupt erhob und innerhalb eines Blinzelns wieder auf den Beinen stand.

„Ich denke, du warst nun lange genug hier“, sprach er plötzlich mit einer ungeahnten Kälte und ich zog verwirrt die Brauen zusammen. „Deine Gruppe wird dich bestimmt schon suchen, du solltest langsam zurückgehen.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, setzte er sich in Bewegung und lief eilig in die Richtung zurück, aus der wir gekommen waren. Ich blickte ihm noch einen Moment ratlos hinterher, ehe ich ebenfalls aufsprang und ihm hinterher lief.

„Was ist los?“, fragte ich verunsichert, denn ich konnte mir absolut keinen Reim auf sein plötzliches Verhalten machen. Hatte er Gefahr gewittert und wollte nun, dass ich hier verschwand?

„Nix ist los, aber ich denke nicht, dass ein Halbdämon ein besonders guter Umgang für dich ist“, meinte er einfach und drehte sich dabei nicht einmal um. Ich verlangsamte meine Schritte, als mir letztendlich bewusst wurde, was hier gerade vor sich ging. Er schämte sich vor mir. Er schämte sich für das, was er war und nahm an, dass ich ihn verabscheuen oder gar hassen würde, nachdem ich nun die ganze Geschichte kannte. Er glaubte ernsthaft, ich würde ihn verurteilen, wie es alle anderen Menschen und Dämonen vor mir getan hatten.

Doch das stimmte nicht!

„Naruto!“, rief ich und beeilte mich um den Abstand zu ihm wieder aufzuholen. Er blieb kurz stehen und warf mir über die Schulter einen skeptischen Blick zu.

„Es interessiert mich nicht, wer oder was du bist“, sagte ich fest und blickte ihm dabei zuversichtlich entgegen. „Du bist du und das ist doch alles was zählt, oder nicht?“

Seine Augen weiteten sich ungläubig, als er abzuwägen schien, ob er mir glauben sollte, schließlich schüttelte er aber leicht mit dem Kopf.

„Du weißt ja nicht, was du da sagst“, behauptete er und wollte wieder loslaufen, doch ich umfasste einfach sein Handgelenk und hinderte ihn somit daran.

„Doch, das tue ich. Bis vor kurzem habe ich an dieses ganze Dämonen-Zeugs noch nicht einmal geglaubt, aber in letzter Zeit ist wirklich viel passiert. Ich habe zwar einen Vertrag mit Sasuke, aber es interessiert mich überhaupt nicht, was damals zwischen euch vorgefallen ist. Du sagtest mir, dass ich vor dir nichts zu befürchten habe und ich glaube dir. Ich weiß selbst nicht einmal, warum ich dies tue, aber es ist so.“ In diesem Moment musste ich mir selbst eingestehen, dass diese Worte durchaus der Wahrheit entsprachen. Ich vertraute ihm und das obwohl ich ihm gerade mal seit ein paar Minuten kannte.

„Es tut mir leid, was damals mit dir geschehen ist und wie die Leute dich behandelt haben, aber ich bin nicht so. Ich habe keine Angst vor dir und ich bin dir auch sehr dankbar, für deine Unterstützung vorhin. Mir ist egal, ob du ein Mensch, ein Dämon oder irgendwas dazwischen bist. Alles, was für mich zählt, ist die Art, wie du mich behandelst und bisher warst du nur gut zu mir. Du bist nicht mein Feind, Naruto. Du bist… mein Freund.“ Erst, als ich diese Worte aussprach, wurde mir bewusst, dass dem wirklich so war. Innerhalb von wenigen Minuten hatte ich einen eigentlich wildfremden Mann ins Herz geschlossen, dass ich sogar so weit ging und ihn als meinen Freund betrachtete. Ich musste zugeben, dass ich davon momentan ohnehin nicht gerade viele hatte, aber umso wichtiger wurde mir, dass er mir nun Glauben schenkte. Ich lächelte ihm aufrichtig entgegen und nachdem sich seine Augen zunächst soweit weiteten, dass ich Angst bekam, sie würden ihm jeden Moment aus den Augenhöhlen springen und vor uns auf der Wiese Samba tanzen, begann auch er mein Lächeln schüchtern zu erwidern.

„Wirklich?“, fragte er leise und ich nickte grinsend. Ich stieß jedoch ein erschrockenes Keuchen aus, als er mich plötzlich packte und mit einem Ruck an sich zog. Mein Körper wurde total durchgeschüttelt, als er mich fest umarmte und dabei freudig auf- und absprang, wie ein hyperaktiver Flummiball.

„Ich danke dir Saku“, flüsterte er dann leise und als er sich anschließend wieder von mir löste, strahlte er mich breit grinsend an. Ich erwiderte sein Lächeln gerne, jedoch packte er plötzlich mein Handgelenk und begann wie von der Tarantel gestochen loszurennen. Er zog mich gut gelaunt hinter sich her und ich musste auf jeden meiner Schritte achten, um nicht plötzlich an einer Wurzel oder einem Zweig hängenzubleiben und mich wahrscheinlich ungalant vor ihm in den Dreck fallen zu lassen. Was hatte er denn nun vor?

„Wir sind schon ziemlich lange hier im Wald“, erklärte er, während er einfach weiterrannte und dabei nicht einmal auf den Weg zu achten schien. „Nicht, dass du noch zu spät zurück kommst und dir dann meinetwegen Ärger einhandelst“, meinte er lächelnd und verdutzt versuchte ich einen Blick auf meine Armbanduhr zu werfen, was sich während des Rennens jedoch als gar nicht so leicht herausstellte. Ich hielt erschrocken die Luft an, als ich bemerkte, dass er vollkommen Recht hatte. Wir waren schon seit knapp einer Stunde hier und dabei sollte ich mich doch mit den Anderen schon längst wieder zur geplanten Schnitzeljagd treffen!

 

Ich legte einen Zahn zu, sodass Naruto mich nicht mehr länger hinter sich her schleifen musste, sprintete mit ihm zurück zum Strand, um eilig meine Sachen zusammenzusuchen und rannte anschließend mit ihm gemeinsam zum angekündigten Treffpunkt. Natürlich waren bereits alle anderen da und Kurenai erwartete mich bereits ungeduldig. Das würde ein Donnerwetter geben…

„Sakura Haruno“, blaffte sie laut los und ich konnte lautes Gekicher aus der Masse heraus hören, als sich ein paar gewisse Damen scheinbar prächtig darüber zu amüsieren schienen, was mich nun wohl erwarten würde.

„Eine Stunde hatten wir gesagt. Du bist zu spät! Alle warten nur noch auf dich und wir haben uns schon Sorgen gemacht, dass dir etwas passiert sein könnte.“ Der strenge Ton verschwand aus ihrer Stimme und mit einem skeptischen Blick beäugte sie mich, um mich scheinbar auf eventuelle Verletzungen abzusuchen.

„Es tut mir leid, dass ich zu spät bin“, entschuldigte ich mich reumütig, „Ich hatte einfach die Zeit aus den Augen verloren, aber es geht mir gut, wirklich.“ Meine Beteuerungen schienen Wirkung zu zeigen, denn die Sorge wich Erleichterung, als sie beruhigt die Luft ausstieß und sich wieder sichtlich zu entspannen schien. Anschließend ließ sie ihren Blick suchend über die anderen Schüler schweifen und murmelte leise: „Nun, leider haben sich in der Zwischenzeit bereits alle Schüler in Zweiergruppen aufgeteilt. Ich fürchte, ich muss dich irgendwo dazu packen, sodass ihr dann eine Dreiergruppe bildet.“ Deprimiert ließ ich die Schultern sinken, denn im Moment konnte ich mir kaum etwas Schlimmeres vorstellen, als zu irgendjemandem in eine Gruppe geschickt zu werden und dort dann das fünfte Rad am Wagen spielen zu müssen. Ino hatte bisher viele mit ihrer Antipathie gegen mich angesteckt, sodass es leider kaum noch jemanden gab, der mir nicht feindlich gesinnt war. Das würde ein langer Nachmittag werden, gestand ich mir seufzend ein.

„Ich könnte doch mit ihr eine Gruppe bilden“, meinte Naruto plötzlich und lenkte somit meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Er schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln, welches ich gerne erwiderte, doch Kurenai sah ihm nur unentschlossen entgegen.

„Also ich weiß nicht“, meinte sie leise. „Du bist schließlich kein Schüler unserer Schule. Ich kann sie ja nicht einfach so mit einem Fremden mitgehen lassen.“

„Aber ich bin gar kein Fremder. Wir sind Freunde“, meinte Naruto nur perplex und ich fügte leise an: „Außerdem sind die Anderen momentan nicht wirklich gut auf mich zu sprechen. Ich denke daher nicht, dass es sonderlich gut ausgehen würde, wenn ich mit einem von ihnen in eine Gruppe müsste.“

Ein mitfühlender Blick schlich sich auf Kurenai’s Züge, denn sie schien durchaus mitbekommen zu haben, was ich momentan zu erdulden hatte. Mit einem lauten Seufzen gab sie schließlich nach und nickte zustimmend.

„Aber Kurenai!“, rief eins der Mädchen empört und trat aus der Masse heraus. Es war Rin, wie ich anschließend erkannte und konnte mir ein lautes Aufstöhnen nicht verkneifen.

„Das ist unfair, wenn Sakura nun mit einem Fremden eine Gruppe bildet. Dieser Junge lebt schließlich hier und kennt sich in der Umgebung somit besser aus. Es würde ihr einen unfairen Vorteil verschaffen“, keifte sie laut und verschränkte widerspenstig die Arme vor der Brust. Ich bemerkte, wie Naruto sich neben mir anspannte und wollte ihm gerade beruhigend die Hand auf den Arm legen, jedoch kam Kurenai mir zuvor, als sie Rin mit der gleichen Intensität antwortete: „Davon will ich nichts hören. Ich weiß genau, was für ein Spiel du hier spielst, Rin und auf sowas lasse ich mich nicht ein. Wenn du etwas dagegen einzuwenden hast, werde ich ein gemischtes Team aus dir, Sakura und einem der Jungs machen, ob es dir passt oder nicht.“ Die Drohung in ihren Worten war mehr als deutlich und Rin schrumpfte bei dieser Ansage merklich in sich zusammen.

„Hat sonst noch einer etwas dagegen einzuwenden“, fragte Kurenai genervt, erntete jedoch einstimmiges Kopfschütteln als Antwort. Zufrieden klatschte sie in die Hände, ehe sie verkündete, dass sie nun die Suchlisten verteilen würde.

 

Die Regeln waren soweit eindeutig. Wir sollten uns Gruppenweise im Wald aufteilen und versuchen die Gegenstände auf der Liste zu finden. Diese sollten wir anschließend einsammeln und zu den Lehrern am Treffpunkt zurück bringen. Jeder bekam dazu einen kleinen Kompass und die Koordinaten des Treffpunktes in die Hand gedrückt, damit wir auch ja den Weg zurück finden würden. Daraufhin verstauten die Meisten ihre Taschen und Rucksäcke mitten auf der Lichtung, auf welcher wir gerade standen, sodass die Lehrer sie in unserer Abwesenheit im Auge behalten konnten. Nun ging es schließlich um Schnelligkeit und da störte zusätzlicher Ballast nur. Ich trottete langsam rüber zur Sammelstelle und tat es den anderen gleich. Der kleine Talisman an meiner Kette klirrte laut auf und nachdenklich hielt ich inne. Wir würden mehrere Stunden durch den Wald ziehen und waren dort eventuell dazu gezwungen uns durch Gebüsch und anderes Geäst zu zwingen, weshalb ich nicht wusste, ob es eine so gute Idee war, die Halskette weiter umzubehalten. Ich konnte mir geradezu bildlich vorstellen, was für einen Anfall Sasuke wohl bekommen würde, wenn ich die Kette kaputt machte, egal ob absichtlich oder nicht. Ich hatte ihn heute mit meinem erzwungenen Wunsch schon genug gereizt und wollte seine Wut auf mich nicht noch unnötig weiter antreiben. Mit einem Seufzen griff ich in meinen Nacken, öffnete den Verschluss der Kette und ließ sie in die Seitentasche meines Rucksacks gleiten. Hier war sie zunächst sicherer aufgehoben. Ich nickte mir noch einmal bestätigend zu und lobte mich innerlich für meine Weitsicht, ehe ich zu Naruto zurückkehrte.

 

Anschließend teilten sich alle auf und zogen in verschiedene Richtungen davon. Die Gegenstände auf der Liste waren breit gefächert und reichten von einfachen Sachen, z.B. Blätter in der Form einer Hand, über U-förmige Äste und grünen Beeren, bis hin zu komplexeren Beschreibungen.

Ich war Naruto mehr als dankbar, dass er sich dazu bereiterklärt hatte, mein Teampartner zu sein und mich für den Rest des Ausflugs noch zu unterstützen, allerdings nahm ich an, die langwierige Suche würde ihn wahrscheinlich ziemlich langweilen, doch das Gegenteil schien der Fall zu sein. Ich hatte fast das Gefühl, der blonde Chaot hatte noch nie bei einer Schnitzeljagd mitgemacht, denn er lief ganz aufgeregt an meiner Seite hin und her, rannte plötzlich los, weil er glaubte, irgendwo einen Gegenstand erblickt zu haben und freute sich über jeden Fund, wie ein kleines Kind an Weihnachten. Es machte mir Spaß ihm dabei zuzusehen, wie er sich freute und in der Arbeit richtig aufblühte, dass es mir nicht einmal etwas ausmachte, als wir hin und wieder einigen Mitschülern begegneten, die uns hasserfüllte Blicke zuwarfen. Endlich war ich wenigstens nicht mehr allein und Naruto ließ es sich nicht nehmen, jeden einzelnen Blick mit der gleichen Intensität zu erwidern, sodass die meisten uns irgendwann völlig ignorierten.

Rin hatte sich zunächst darüber beschwert, Naruto’s Ortskundschaft würde uns einen Vorteil verschaffen, aber das stimmte nicht. Er lebte selbst erst seit kurzer Zeit hier, wie er mir später erzählte und kannte die Landschaft somit eben so wenig, wie ich selbst. Was ihm allerdings tatsächlich einen Vorteil gab, war etwas, dass wir jedoch niemanden erzählen konnten. Seine dämonischen Kräfte. Sobald wir unbeobachtet waren, nutzte er die Gelegenheit um in nur wenigen Sprüngen ganze Bäume zu erklimmen oder in atemberaubender Geschwindigkeit durch den Wald zu hetzen, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her. Und dabei war er nur auf der Suche nach kleinen Fundsachen einer Schnitzeljagd.

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, als er gerade mit einem ganzen Zweig voller grüner Blätter und grün-rötlich gefärbte Blüten zurück kam und dabei grinste, wie ein kleiner Junge, der gerade einen Schatz gefunden hatte.

„Schau mal Saku, das müsste doch der Ast eines Stachelbeerstrauches sein, oder nicht?“, fragte er und wedelte mir mit besagtem Strauch wild vor der Nase herum.

„Kann schon sein“, lachte ich laut, nahm ihm den Zweig jedoch vorsichtshalber ab, bevor er jemand damit in seinem Übermut noch ein Auge ausstechen konnte. „Aber wir brauchen doch nur eine dieser rötlichen Blüten und keinen ganzen Ast“, erklärte ich gut gelaunt. Er zuckte jedoch nur mit den Schultern.

„Und wenn schon. Wenn wir einen ganzen Ast davon haben, können die anderen immerhin nicht mehr so viele finden“, meinte er breit grinsend und funkelte mir schelmisch entgegen. „Was steht als nächstes auf der Liste?“

„Wir sind fast durch, es fehlt nur noch eins. Aber das scheint auch das schwierigste zu sein“, bemerkte ich missmutig und kräuselte leicht die Lippen.

‚Ich glänze hell zu jeder Zeit,

versteck mich tief in Dunkelheit.

Ich leb in Wasser und doch auf Land,

nur so hat man mich stets gekannt.

Bin nicht ganz Schmuck und auch nicht Stein,

zähl als beides, was kann ich sein?‘

Hmmm, also ich habe keine Ahnung“, seufzte ich laut und zuckte unschlüssig mit den Schultern. Auch Naruto schien ausnahmsweise überfragt zu sein und rieb sich unschlüssig über die Wange.

„Ich habe keine Ahnung, lies nochmal vor“, bat er mich.

‚Ich glänze hell zu jeder Zeit, versteck mich tief in Dunkelheit‘... Hmm, etwas das glänzt… Vielleicht eine Art Perle oder so? Perlen glänzen doch im Licht und entstehen in Muscheln. Da drinne ist es dunkel, also hätten wir auch die Dunkelheit.“

Naruto zog die Stirn kraus, als er zu überlegen schien. „Aber wie sollen wir an eine Perle rankommen?“, fragte er skeptisch.

‚Ich leb in Wasser und doch auf Land, nur so hat man mich stets gekannt.‘'... Vielleicht haben sie die Perlen in einer Art Teich oder sowas aufbewahrt. Ein Teich ist im Regelfall flach genug, damit man darin stehen kann, aber dennoch kann etwas darin versunken sein. Somit ist es gleichzeitig am Land und doch im Wasser. Oder?“ Ich warf ihm einen rätselnden Blick zu, doch Naruto schien mich zu ignorieren und murmelte den Vers immer wieder vor sich her. Plötzlich erhellten sich jedoch seine Gesichtszüge und er sah mich strahlend an.

„Ein Kristall!“

„Ein Kristall?“, fragte ich ungläubig.

„Ja doch“, meinte er hibbelig und begann wild mit den Händen in der Luft zu wedeln. Ich fing an mir langsam ernsthafte Sorgen um seinen Gesundheitszustand zu machen und zog  zweifelnd eine Augenbraue hoch. Scheinbar war die bisherige Schnitzeljagd ihm mächtig zu Kopf gestiegen und er litt nun an einer Art Jagd-Fieber.

„Naruto, wie sollen denn unsere Lehrer an Kristalle rankommen?“, fragte ich vorsichtig und hoffte, er würde begreifen, dass das kein sonderlich guter Einfall war. Er nickte jedoch überzeugt und behauptete felsenfest: „Doch, glaub mir. In den Tropfsteinhöhlen gibt es eine Art See und dort drinne wachsen Steine auf dem Grund, die in ihrem Inneren kleine Kristalle bilden. Wenn sie groß genug sind, platzen die Steine auf und das einfallende Licht wird von den Kristallen am Grund reflektiert. Dadurch entstehen die Regenbogenlichter an den Wänden.“

Ich riss die Augen auf, als mir die Erklärung unserer Reiseführerin wieder einfiel. Wir waren tatsächlich an jenem See vorbeigekommen und das bunte, glänzende Farbenspiel, das sich an den Wänden spiegelte, war unglaublich schön gewesen. Wie hatte ich das nur vergessen können?

„Du hast recht“, räume ich nickend ein, zog jedoch anschließend wieder die Stirn in Falten. „Aber wie sollen wir an so einen Kristall rankommen? Ich kann mir schwer vorstellen, dass sie von uns erwarten, dass wir in die Höhle gehen und einfach so in den See springen.“

Naruto winkte jedoch nur lächelnd ab. „Kein Problem, ich bin mir ziemlich sicher, dass die Höhlenverwaltung einige Kristalle als Leihexemplare zur Verfügung stellt. Wahrscheinlich haben sie die irgendwo am Eingang der Höhle versteckt, sodass wir nur auf die Idee kommen müssen, dort zu suchen“, schlussfolgerte er. Das klang durchaus plausibel und ich strahlte ihn begeistert an.

„Du bist wirklich ein Genie, Naruto“, sagte ich euphorisch und bemerkte grinsend, wie ihm die Röte ins Gesicht schoß und er sich verlegen am Hinterkopf kratzte.

„Ach was, das sagst du doch nur so“, murmelte er leise, doch ich beachtete ihn schon gar nicht mehr. Stattdessen hatte ich sein Handgelenk ergriffen und zog ihn eilig hinter mir her in Richtung Höhleneingang.

 

Nach mehreren Minuten Fußmarsch fanden wir endlich den Eingang der Höhle wieder, jedoch schien bis auf uns selbst niemand sonst in der Nähe zu sein. Waren wir etwa die Ersten, die dieses Rätsel gelöst hatten? Naruto sprintete bereits nach vorne und durchsuchte den Eingang auf mögliche Verstecke. Es dauerte auch gar nicht lange, bis er plötzlich meinen Namen rief und mich eilig zu sich heran winkte. Ich ging auf ihn zu und sah eine große, dunkle Truhe, die hinter einem Felsvorsprung versteckt war, stehen und in ihr lagen zahlreiche kleine Felsbrocken, die von einer durchsichtigen Plastikkugel umrandet wurden. Ich griff nach einer der Kugeln, drehte sie herum und betrachtete den wunderschönen, weißen Kristall im Inneren des Steins. Er war weiß und reflektierte die einfallenden Sonnenstrahlen, sodass er in tausend Farben zu leuchten begann.

„Die Verwaltung muss die Kristalle mit so einer Plastikkugel umzogen haben, damit Touristen ihn nicht kaputt machen können“, mutmaßte Naruto, doch ich war nach wie vor, wie erstarrt und bestaunte sprachlos die Schönheit in meinen Händen.

„Er ist wunderschön“, hauchte ich leise und wog den kleinen Schatz in meinen Händen hin und her.

„Gefällt er dir?“, fragte Naruto neugierig und ich nickte. Wie sollte mir etwas so schönes auch nicht gefallen? Plötzlich wurde ich jedoch aus meiner Trance gerissen, als Naruto mich am Handgelenk packte und mit sich tiefer in die Höhle zog.

„Was tust du da“, fragte ich panisch und versuchte bei der Dunkelheit hier drinnen nicht zu stolpern. Nachdem er mit mir um mehrere Abbiegungen gelaufen ist, blieb er jedoch plötzlich stehen und grinste mich breit an.

„Warte hier, dann hol ich dir einen“, meinte er plötzlich und ich konnte nicht mehr als ein schrilles: „WAAAS?“, auszustoßen. Meine unnatürlich hohe Stimme hallte laut von den Felswänden nieder und ich zuckte erschrocken zusammen.

„Das kannst du nicht tun“, fauchte ich nun etwas leiser und warf ihm einen bösen Blick zu, den er in der Dunkelheit aber wahrscheinlich eh nicht sehen konnte.

„Klar kann ich das“, meinte er hingegen nur, zuckte mit den Schultern und mit einem knappen: „Bin gleich wieder da“, war er auch schon verschwunden.

Geschockt starrte ich auf die Stelle, wo er soeben noch gestanden hatte und ließ deprimiert die Schultern sinken. Man würde uns erwischen, uns verhaften und einsperren, dafür, dass wir eine historisch so bedeutsame Höhle und ihre Schätze ausgebeutet hatten. Ob ich mich vielleicht der Strafe entziehen konnte, wenn ich einfach wieder ging und fest behauptete, den blonden Chaoten nicht weiter zu kennen? Unwahrscheinlich und schließlich wäre das auch nicht wirklich fair, schließlich hatte ich ihn ja erst auf die Idee gebracht, einen Kristall zu stehlen. Wieso konnte ich nicht einfach mal den Mund halten?

 

Meine Gedanken wurden jedoch schier unterbrochen, als ich plötzlich einen unangenehmen Stoß im Rücken spürte und vornüberkippte. Ich zog die Hände nach vorne, um mich bei meinem Aufprall, etwas vom Boden abzufedern, jedoch bemerkte ich entsetzt, dass es an dieser Stelle gar keinen Boden gab. Ich fiel weiter und stieß einen lauten Schrei aus, als ich nach mehreren Metern Fall auf dem harten Boden aufschlug. Sofort durchzog ein harter, stechender Schmerz meinen Körper und ich versuchte mich langsam aufzurichten. Leider schaffte ich es nur in eine sitzende Position und umklammerte anschließend meinen pochenden Schädel. Scheinbar musste ich mich beim Aufprall irgendwo mit dem Kopf gestoßen haben, stellte ich frustriert fest.

Leises Gekicher drang an meine Ohren und ich ließ den Blick nach oben wandern, konnte jedoch nichts erkennen. Hatte man mich wirklich in eines dieser Erdlöcher gestoßen? Uns wurde beim Rundgang doch erklärt, dass manche dieser Löcher, wie ein Fass ohne Boden waren und die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns bei einem Sturz nicht nur verletzten, sondern sogar sterben konnten, lag unwahrscheinlich hoch. Doch sie würden doch nicht wirklich das Risiko auf sich nehmen, mich eventuell umzubringen, oder etwa doch? Waren diese Mädchen tatsächlich bereit, so weit zu gehen?

Ein lautes, kriechendes Geräusch nur wenige Meter von mir entfernt, gewann meine Aufmerksamkeit und ich kniff die Augen eng zusammen, um in der Dunkelheit etwas besser zu sehen, doch vergebens. Es war einfach viel zu dunkel hier unten. Das Geräusch, wie etwas Schweres über den unebenen Steinboden kroch und zielgerichtet näherkam, ließ unweigerlich meine Panik ansteigen, denn ich wusste nunmehr, dass ich hier unten nicht alleine war. Ängstlich versuchte ich mich zusammen zu nehmen und aufzustehen, doch noch ehe ich mich ganz aufrichten konnte, sackte ich auch schon wieder wie ein nasser Sack zusammen. Meine Beine brannten wie Feuer und waren scheinbar nicht mehr dazu im Stande mein Gewicht noch länger zu tragen. Die Panik, die mich erfasst hatte, stieg nun bis zum Maximum an, als ich mir eingestehen musste, dass ich wahrscheinlich nicht einmal vor dem wegrennen konnte, was auch immer da gerade auf mich zukam.

„W-Wer ist da?“, flüsterte ich mit zittriger Stimme und dennoch kam mir meine Stimme so laut vor, als hätte ich den Satz laut hinausgeschrien.

„Süßßßßßes Mädchen“, zischte eine helle Stimme laut und ließ mich unwillkürlich erzittern. Ich wusste, dass ich keine Angst zeigen durfte, doch das war leichter gesagt, als getan. Das kriechende Geräusch war nur noch wenige Meter von mir entfernt und ich wusste, dass dieses Ding gleich bei mir sein würde. Was sollte ich nur tun? Ich kam nicht drumherum mir Sasuke herbeizuwünschen. Hätte ich ihn doch nicht weggeschickt, hätte ich ihm doch von vornherein erlaubt mit mir zu kommen, hätte er mir jetzt vielleicht helfen können. Doch er war nicht hier, ich war ganz allein. Allein mit diesem schlängelndem Wesen vor mir. Tränen traten mir in die Augen und das Zittern wurde stärker, als ich jemanden jedoch plötzlich laut meinen Namen rufen hörte.

„Sasuke?“, flüsterte ich fragend und einen Moment später zog eine starke Erschütterung durch den massiven Gesteinsboden unter mir. Ich konnte eine schwache Silhouette neben mir erkennen und kniff konzentriert die Augen zusammen.

„Sasuke?“, fragte ich erneut, erhielt jedoch nur ein leises Grunzen als Antwort.

„Nein, ich bin’s. Naruto“, zischte er verärgert und fragte anschließend: „Was machst du denn hier unten, Sakura?“

„Ich wurde geschubst“, sagte ich schnell, deutete jedoch anschließend auf mein eigentliches Problem, dass ich nur wenige Meter vor mir vermutete. Das laute Kriechen war mittlerweile leiser geworden, als würde die Kreatur in der Dunkelheit innehalten und die Situation abschätzen.

„Da ist irgendwas“, flüsterte ich und Naruto wandte leicht dem Kopf zur Seite. Ich konnte nach wie vor nicht erkennen, was sich da vor uns befand, doch als Naruto angespannt zu fluchen begann, wusste ich, dass das nichts Gutes verheißen konnte.

„Du bist mitten in das Revier eines Schlangendämons gefallen“, erklärte er mir daraufhin und meine Augen weiteten sich erschrocken. „Wo ist dein Anhänger?“, fragte Naruto mich plötzlich und ich konnte hören, dass seine Stimme schrill klang, als auch ihn die Panik zu erhaschen schien.

„In meinem Rucksack“, flüsterte ich leise und strich mir zitternd über die nasse Wange um meine Tränen abzuwischen. Naruto stieß jedoch erneut einen leisen Fluch aus und schrie mit lauter Stimme: „Sasuke kann nicht herkommen und dich beschützen, wenn du den Anhänger nicht hast. Er weiß so nicht, wo du bist. Und ich kann dich hier nicht beschützen. Wir haben keinen Vertrag und ohne ist es uns Dämonen verboten Menschen zu helfen.“

Meine Augen weiteten sich vor Schreck. Was hatte ich nur getan? Ich hatte den Anhänger vor der Schnitzeljagd in meinen Rucksack gesteckt, damit er nicht kaputt ging und Sasuke sich somit nicht aufregen konnte. Aber ich hatte doch nie damit gerechnet, dass ich von irgendwelchen verrückten Anhängern Ino’s in ein metertiefes Erdloch geschubst werden würde und dabei in das Revier eines Schlangendämons fiel, der scheinbar kurz davor stand, mich zu fressen.

Erneut liefen mir unweigerlich die Tränen über die Wangen, als ich mich noch einmal versuchte aufzustützen und irgendwie aufzustehen. Jedoch durchzuckte mich direkt wieder ein greller Schmerz, der mir von den Beinen bis ins Gehirn zuckte und erneut sackte ich hilflos zusammen.

„Was machst du denn?“, herrschte Naruto mich an, „Du musst aufstehen. Renn weg.“

„Ich kann nicht“, rief ich schluchzend und schämte mich meiner eigenen Schwäche. „Meine Beine… Sie tragen mich nicht mehr“, gab ich zu und presste mir die Hand auf den Mund, um erneuten Schluchzern, die meinem Mund entweichen wollten, Einhalt zu Gebieten. Ich hörte, wie Naruto zischend die Luft einzog, als er sich scheinbar meine Beine ansah und einen Moment später meinte: „Du musst dir bei deinem Aufprall die ganzen Schienbeine und auch die Knie aufgeschlagen haben. Sie bluten ganz fürchterlich.“

Nun, das erklärte zumindest diese starken Schmerzen. Ich konnte einfach nicht glauben, dass das nun das Ende sein sollte.

Ino würde ihren Willen bekommen und mich ein für alle Mal loswerden. War sie denn überhaupt jemals meine Freundin gewesen? Hatte sie jemals mehr in mir gesehen, als ein rosahaariges Hündchen, das ihr zu ihrer Belustigung hinterhertrampelte und das sie direkt abschieben konnte, sobald ihr der Sinn danach stand? Ich konnte es nicht fassen, dass ich mich all die Jahre in ihr derart getäuscht haben sollte.

Naruto, mein neuer Freund, den ich seit nicht einmal ein paar Stunden kannte. Nach so kurzer Zeit war die Begegnung mit ihm ein wahrer Lichtblick gewesen und ich bedauerte es, nicht mehr Zeit mit ihm verbringen zu können. Wie gerne hätte ich versucht ihm das zu geben, was man ihm all die Jahre über verwehrt hat. Vertrauen, Hoffnung, Freundschaft…

Doch er konnte mir nicht helfen, war durch seine dämonischen Kräfte in unsichtbare Fesseln gelegt und würde nun mitansehen müssen, wie dieser Schlangendämon mich mit Haut und Haar verschlang.

Und Sasuke… Ich hatte ihn als kalten, groben und arroganten Dämon kennengelernt, der stets nur seine eigenen Ziele verfolgte, doch ich hatte ebenfalls einen Blick hinter seine Fassade werfen können. Ich wusste, dass er durchaus seine guten Seiten hatte. Er war eigenartig verspielt und kindlich, wenn ihm langweilig war, aber das würde er nie zugeben. Er hatte mir in der Sache mit Ino beigestanden, mir versucht Rückhalt zu geben und mir verschiedene Lösungswege angeboten. Auch, wenn ich diese nicht angenommen hatte, so hatte ich seine Besorgnis spüren können und ich hatte gemerkt, dass ich ihm wichtig war. Und er hatte mich immer beschützt. Vor dem wilden Dämon in dem Wald vor unserem Haus und auch vor Ino’s rachsüchtigem Freund Sai. Er hatte alles in seiner Macht stehende getan, um mich zu schützen, doch dieses Mal konnte auch er mir nicht helfen. Ich hatte den Anhänger abgelegt, wo er mich doch extra darauf hingewiesen hatte, ihn bei mir zu behalten. Ich hatte nicht auf ihn gehört und musste nun dafür bezahlen. So spielte das Leben, musste ich mir nun auf resignierte Weise eingestehen und ließ erschöpft die Schultern hängen.

Es war vorbei.

 

„Das lasse ich nicht zu“, rief Naruto plötzlich und ich zuckte erschrocken zusammen, als er plötzlich seine Hand unter meinen rechten Schenkel schob und ihn leicht anhob.

„Es tut mir leid“, hörte ich ihn leise murmeln, ehe ich ein starkes Brennen spürte, als er plötzlich mit seiner Zunge über mein geschundenes Bein strich. Automatisch begann ich mich gegen seine Berührung zu wehren und versuchte mein Bein aus seinem Griff zu entwinden, doch er hielt mich so fest, dass ich mich kaum rühren konnte. Was sollte das?

Bevor ich überhaupt begreifen konnte, wie mir geschah, ließ er mein Bein abrupt fallen, als hätte es ihn plötzlich angefaucht und blickte mir entgegen. Seine blauen Augen hatten sich nun blutrot verfärbt und leuchteten trotz der Dunkelheit so hell, dass ich überrascht nach Luft schnappen musste. So schön…

„Wünsch dir was“, forderte er mich auf und sah mich eindringlich an. „Wünsch dir, dass ich dir helfen soll.“

Eine eigenartige Ruhe überkam mich, als ich plötzlich begriff, was hier gerade geschehen war.

„Ja, bitte, beschütze mich“, hauchte ich leise, doch er verstand mich mühelos und noch ehe ich gänzlich ausgesprochen hatte, war er auch schon aus meinem Sichtfeld verschwunden und ein lauter Knall ertönte. Erschrocken zuckte ich zusammen und war plötzlich dankbar für die Dunkelheit, denn ich wollte den Kampf, den die beiden Dämonen miteinander austrugen, nicht sehen. Doch Naruto war von dem Kampf mit Sasuke noch verletzt. Und dazu war er gerade mal ein Halbdämon! Konnte er da überhaupt gewinnen? Nach nur wenigen Sekunden  erloschen die lauten Kampfgeräusche jedoch plötzlich und ein ängstliches Zittern durchfuhr mich, als ich darum bangte, dass es Naruto gut ging.

„Naruto?“, fragte ich vorsichtig, jedoch erschien in dem Moment ein helles Licht, sodass ich mir zunächst die Hand schützend vor die Augen pressen musste. Erst nach mehreren Augenblicken wagte ich es mir zwischen meinen Fingern hindurch zu spähen und entdeckte den Blondschopf, welcher mit einer lodernden Flamme in der Hand vor mir stand und mich beruhigend anlächelte. Er kniete sich vor mich und  strich mir mit der freien Hand zärtlich übers Gesicht, als er meinte: „Nun ist alles wieder in Ordnung.“

Er ließ seine Hand zu meinem Hinterkopf wandern, zog mich langsam zu sich heran und legte seine Lippen sanft auf die meinen. Ich wusste, dass dieser Schritt nötig war, schließlich verlangte jeder Dämon für einen Wunsch einen Kuss, der mir ein Stück meiner Seele raubte, aber dennoch fühlte es sich irgendwie eigenartig an, ihn zu küssen. Ganz anders, als sonst bei Sasuke…

Als er sich wieder von mir löste, grinste er mich breit lächelnd an und legte mir einen kleinen, metallenen Gegenstand in die Hand. Ich blickte nach unten und erkannte, dass es erneut ein kleiner Talisman war. Es handelte sich dieses Mal jedoch um die Umrisse eines orangenen Fuchses und auf der Rückseite war ein weißer Kreis abgebildet, mit einer schwarzen Spirale darauf. Ich hatte also einen neuen Vertrag abgeschlossen und insgeheim bangte mir bereits vor der Reaktion eines gewissen schwarzhaarigen Wolfdämons.

 

Ein erneuter Ruck ging durch den Boden und ich erstarrte mitten in der Bewegung. Was war das gewesen? Hatte dieser Schlangendämon hier etwa nicht allein gelebt und nun war seine Verstärkung eingetroffen? Anhand Naruto’s Gesichtsausdrucks konnte ich jedoch erkennen, dass der Neuankömmling scheinbar keine Bedrohung für uns darstellte.

„Hallo Sasuke, wir haben schon auf dich gewartet“, meinte er amüsiert und grinste schelmisch an mir vorbei. Ich wirbelte herum, um einen Blick auf Sasuke zu erhaschen, jedoch strafte mein Kopf mir diese ruckartige Bewegung direkt, indem er mir einen stechenden Schmerz durchs Gehirn jagte.

Nachdem der Schmerz nach einigen Augenblicken wieder leicht abgeklungen war und sich in etwas Erträgliches verwandelt hatte, blickte ich erneut zu Sasuke auf, der mit versteinerter Miene vor uns stand und ungläubig auf uns hinab blickte.

„Was geht hier vor?“, zischte er mit wütender Stimme und fixierte mich dabei mit erbostem Blick. Ich wusste, dass er wütend war, schließlich ging es ihm darum, so viel von meiner Seele zu bekommen, wie nur irgendwie möglich um seinen Bruder zu besiegen. Dass ihm die Aussicht, meine Seele nun mit Naruto zu teilen, nicht gerade zusagte, konnte ich mir gut vorstellen.

Doch noch bevor ich ihm antworten und ihn irgendwie beschwichtigen konnte, war Naruto jedoch schon auf den Beinen und schritt gut gelaunt auf Sasuke zu um ihm einmal kräftig auf die Schulter zu klopfen. „Du bist halt einfach zu langsam, Sasuke. Wärst du schneller hier gewesen, hätte ich sie nicht retten müssen“, meinte er beiläufig, als würde er lediglich über das Wetter reden und nicht über meinen mehr als knappen Beinahe-Tod. „Nun wirst du mich jedoch ertragen müssen, fürchte ich. Ob du das willst, oder nicht.“ Es war dem Blondschopf anzusehen, dass es ihn mit Genugtuung erfüllte, den Schwarzhaarigen nun aufzuziehen, doch ich fürchtete, dass seine Provokation kein gutes Ende nehmen würde. Ich hatte heute bereits schon einmal einen Kampf zwischen den beiden schlichten müssen und auf ein weiteres Mal konnte ich getrost verzichten.

„Warum hast du das getan?“, blaffte Sasuke wütend und stieß Naruto leicht von sich. Dieser taumelte einen Schritt zurück und erwiderte seinen bitterbösen Blick. „Hätte ich etwa nicht? Wäre es dir lieber gewesen, wenn ich sie einfach hätte sterben lassen?“, brüllte er zurück und Sasuke verzog den Mund zu einer schmalen Linie. Ihm war anzusehen, dass der seinem Gegenüber gerne eine schlagfertige Antwort entgegengeschmettert hätte, jedoch schien ihm gerade nichts einzufallen.

Dann wandte er seinem wütenden Blick mir zu und musterte mich von oben bis unten.

„Es tut mir leid“, murmelte ich leise und hoffte, das würde ihn wenigstens vorübergehend beruhigen, doch als er mich auch weiterhin mit wütendem Blick fixierte und sich plötzlich in Bewegung setzte, kniff ich ängstlich die Augen zusammen. War er nun so böse auf mich, dass er mich sogar schlagen würde? Ich rechnete schon fest mit dem ersten Hieb und zuckte zusammen, als er mich berührte, doch als ich blinzelnd die Augen öffnete, merkte ich, dass er nur meinen Hinterkopf gepackt hatte und seine Lippen auf meine Stirn drückte. Ich spürte ein starkes Kribbeln, dass durch meinen Körper zog, meine Beine und meinen Verstand einnebelte und die Schmerzen leichter machte, bis sie schließlich gänzlich verschwanden. Er heilte meine Wunden, wie er es damals nach dem Kampf mit Sai getan hatte, fiel es mir ein und ein zufriedenes Lächeln umspielte meine Lippen.

Er konnte so böse auf mich sein, wie er wollte, er blieb dabei aber immer noch er selbst. Als das kribbelnde Gefühl verschwand und er sich wieder leicht von mir entfernte, sah ich unsicher zu ihm auf. Wortlos drückte er mir jedoch nur die Kette mit meinem Anhänger in die Hand und ich sah überrascht auf den Talisman hinab. Wie hatte er es geschafft, ihn herzubringen?

„Leg ihn ja nie wieder ab“, knurrte er und nickte dabei leicht in Naruto’s Richtung.

„Nun haben wir auch noch den da an der Backe. Ich will gar nicht wissen, was das nächste Mal passiert.“ Ich konnte mir ein leises Kichern nicht verkneifen, auch, wenn Sasuke mich daraufhin mit seinem Blick zu durchbohren schien.

„Keine Sorge, Saku“, meinte plötzlich Naruto gut gelaunt und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Lass den Miesepeter hier nur schmollen. Er ist nur sauer, weil er weiß, dass er mir nun nicht mehr den Hals umdrehen darf, wie er es gerne täte.“ Er lachte laut auf und ich zog überrascht die Brauen hoch. „Ach wirklich?“, fragte ich und Naruto nickte nur grinsend, während Sasuke plötzlich hundeelend drein schaute.

„Halt deine Klappe, du Idiot“, fauchte er. „Vergiss nicht, es gibt immer Wege und Möglichkeit um das zu ändern.“ Es sollte eine Drohung sein, doch Naruto ließ sich davon nicht einschüchtern.

„Sicher doch, aber keine, die Sakura nicht ebenfalls schaden würde. Und das willst du doch nicht, oder?“, fragte er zuckersüß und Sasuke verdrehte nur genervt die Augen. Ich schüttelte lediglich lächelnd mit dem Kopf. Ich wusste, dass es in diesem Vertrag noch so viel gab, das ich nicht verstand, aber darüber konnte ich später immer noch nachdenken. Ich erhob mich vorsichtig, um zu testen, ob meine Beine nun wieder gewillt waren, mein Gewicht zu tragen und als ich zufrieden feststellte, dass mein Körper nun wieder vollends gehorchte, richtete ich mich auf und lächelte den beiden Jungs ermutigend entgegen.

„Lasst uns nach hause gehen“, meinte ich fröhlich und Sasuke grunzte zustimmend.

„Nach hause“, flüsterte Naruto und klang dabei so ehrfürchtig, als würde er von irgendeinem heiligen Ort sprechen und nicht nur von einem einfachen, kleinen Waldhaus.

Mir war bewusst, dass dieser doppelte Vertrag es nun nicht gerade einfacher machen würde und uns standen gewiss noch die ein oder anderen Hindernisse bevor. Doch ich wusste, mit diesen beiden an meiner Seite, konnte einfach nichts mehr schief gehen. Es bot sich uns ein neuer Anfang und jeder von uns war gewillt, das Beste daraus zu machen.

 

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Lea (Dienstag, 16 August 2016 10:11)

    Hallöchen
    Juhu, ich freu mich ja so! Ein neues Kapitel! Zum Glück habe ich wieder hier vorbeigeschaut. Seit wann ist das Kapitel denn online?
    Auf jeden Fall gefällt es mir wieder super gut. Aber das kann ja wirklich etwas werden...einen Vertrag mit denen zweien? Ausgerechnet? Ich kann mir ja vorstellen das Naruto das alles so geplant hat...naja, mal schauen, ob ich das noch erfahre... Sasuke tut mir leid, muss ich ehrlich sagen.
    Ich bin auf jeden Fall schon sehr gespannt wies weiter geht und hoffe das nächste Kapitel kommt schon bald!?

    Liebe Grüsse
    deine Lea