Sie rang den Lappen aus und machte sich an die Arbeit. Sie putzte die Fenster mit einer fließenden, geübten Bewegung, die sie sogar im Schlaf hätte ausführen können. Schon seit ihrer Kindheit half sie ihrer Mutter im Haushalt und mittlerweile erledigte sie alle Aufgaben selbstständig. Es war die Vorbereitung auf ihre zukünftige Arbeit. Ihr Vater war Schuhmacher, doch durch einen tragischen Unfall verlor er sein Augenlicht. Jemand musste ihre Familie ernähren und da sie nicht verheiratet war, musste sie das übernehmen. Dank ihrer Mutter durfte sie in einem sehr angesehenen Haus als Dienstmagd anfangen. Sie würde bei dieser Familie leben und dort ihre Dienste verrichten. Ihr Lohn würde ihren Eltern zu Gute kommen. Es war nicht viel, doch würde es für den Lebenserhalt reichen. 

Sie war mit den Fenstern fertig und goss das dreckige Wasser auf die Wiese vor der kleinen Hütte. Noch heute würde sie aufbrechen und ihr neues Leben anfangen. In diesem Moment betrat ihre Mutter das Zimmer und schenkte ihr ein herzliches Lächeln. 

„Sakura, mein Schatz. Denke bitte immer an das, was ich dir beigebracht habe. Sei immer fleißig und ehrlich. Verrichte deine Arbeit gewissenhaft und sei stehts höflich und loyal zu deinen Herren. Vergiss nicht zweimal die Woche zum Schrein zu gehen und den Götter deinen Respekt zu zollen und um Schutz zu bitten.“

„Ja, Mutter.“

„Nimm dir zwei deiner Kosoden und Obis mit. Wickel sie gut in Tücher ein, damit sie auf dem Weg nicht schmutzig werden.“ Sakura nickte stumm und ging in das Zimmer, in welchem sie mit ihren Eltern schlief und wickelte zwei Kosoden und zwei Obis in ein Tuch. Als sie das Zimmer wieder verließ, trat sie vor ihren Vater, der still auf einem Stuhl saß und die Hände im Schoß zusammengefaltet hatte. Sie berührte seine Hände und kniete vor ihm nieder. Mit seiner rechten Hand tastete er nach ihrem Gesicht und strich dieses behutsam entlang. Zaghaft küsste er ihr auf die Stirn und sie wusste, dass es ihm schwer viel ihr 'Lebewohl' zu sagen.

„Es wird Zeit. Lass sie nicht warten“, flüsterte er und ließ die Hände sinken. Sie nickte, sich bewusst, dass er es nicht sehen konnte und wandte sich ihrer Mutter zu. 

„Ich habe dir den Weg beschrieben, vergiss ihn nicht. Es sind ganze zwei Stunden bis in die Stadt, also verlauf dich nicht. Bereite uns keine Schande, mein Kind, und gib auf dich acht.“ Auch sie küsste ihr auf die Stirn und sah ihr hinterher, während sie den Weg in ihr neues Leben hinter sich brachte. 

 

Sakura hatte schon immer ein gutes Gedächtnis und deshalb machte ihr der Weg mit den vielen Abzweigungen keine Probleme. Sie war noch nie in der Stadt gewesen, darum verschlug ihr der Anblick den Atem. Schon von weitem nahm sie den unangenehmen Geruch war. Zuerst sah sie kleinere, eng anliegende Häuser am Stadtrand, doch je näher sie dem Stadtzentrum kam, desto höher und breiter wurden die Häuser und desto mehr Menschen sah sie. Als sie an einem großen Markt vorbeikam, hörte sie laute Rufe und Schreie. Die Händler schrien ihre Ware aus. Jetzt war es nicht mehr weit. Vor einem großen Anwesen fand sie sich wieder. Noch ehe sie sich bemerkbar machen konnte, öffnete sich die Tür und eine junge Frau sah ihr ins Gesicht. Ihre lavendelfarbenen Augen sahen sie erst prüfend an und dann verstehend. 

„Oh, du bist bestimmt die neue Dienstmagd. Ich wollte gerade auf den Markt gehen, aber ich werde dich erst einmal hinein bringen. Komm mit“, meinte sie mit freundlicher, zarter Stimme und ließ sie eintreten. Man erkannte sofort, dass hier wichtige Leute lebten. Entlang der Mauer fuhr ein, mit kleinen Steinchen ausgelegter, Weg. Der große Garten hatte gleichmäßig geschnittenes, gepflegtes Gras und vereinzelt waren Felsen auf der Rasenfläche verteilt. Am Ende des Rasens grenzte das große Gebäude mit seiner breiten Veranda an, von der man einen perfekten Blick auf den kleinen Steingarten und den Teich hatte. Am Wegesrand standen vereinzelt Kirschbäume. 

Sie waren mittlerweile am Ende des Weges angekommen und standen nun vor der Tür des großen Hauses. Das Mädchen schob die Tür langsam zur Seite und trat ein. 

„Uchiha-sama“, sagte sie, „Die neue Magd ist da.“

„Ich danke dir, Hinata, du kannst dann gehen.“ Das Mädchen senkte den Kopf, trat zurück und lächelte Sakura beim herausgehen zu, ehe sie verschwand. 

„Du bist dann also Sakura Haruno“, meinte die Frau und Sakura wagte einen kurzen Blick. Sie war sehr schön. Sie hatte lange, schwarze Haare, die sie offen trug und auch tiefe schwarze Augen. Sie trug einen schwarzen Kosode mit kleinen Verzierungen an der Schulter und einen grauen Obi.  

„Mein Name ist Mikoto Uchiha. Ich bin deine Herrin und werde dich jetzt herumführen, damit du weißt, wo sich alles befindet und nebenbei werde ich dir deine Aufgaben erklären. Stell deine Schuhe an die Seite und dann komm mit.“ Sie wendete sich ab und Sakura tat wie ihr befohlen und folgte ihr im Anschluss. 

 

Das Haus war riesig und hatte etliche Zimmer. Als erstes führte der Weg in einen kleinen Raum, der mit Tatami-Matten ausgestattet ist.

„Hier wirst du schlafen. Das ist das Zimmer der Dienstmädchen, daher wirst du dir dieses Zimmer mit zwei anderen teilen. Hinata hast du ja bereits kennengelernt und Ino wirst du noch antreffen. Dort hinten in dem Wandschrank befinden sich Futon, Bettwäsche und Kissen. Nimm dir was du brauchst, jedoch müsst ihr selbst für die Ordnung hier sorgen. Deine Sachen kannst du hier lassen und später in einem leeren Fach im Wandschrank verstauen. Du bist hier generell für die Ordnung im Haus zuständig. Du wirst putzen, dich um die Wäsche kümmern und auch einkaufen gehen, wenn ich die Zeit dazu nicht finde. Es ist wichtig, dass immer genügend Reis im Haus ist, also prüfst du am Besten selbst, ob der Vorrat reicht oder lieber aufgefüllt werden sollte. Mein Mann ist einer der engsten Berater des Shoguns und darum kann es immer zu unangemeldeten Gästen kommen. Sei also immer darauf gefasst. Kochen wirst du nicht, aber dafür bedienen. Meine Söhne sind selten zu Hause und wenn sie es sind, dann entweder beschäftigt oder sie schlafen. Daher wirst du ihre Zimmer nur säubern, wenn du dir sicher bist, dass sie nicht anwesend sind. Hast du das soweit alles verstanden?“ Ein zaghaftes Nicken seitens Sakura. Die weitere Führung verlief eher ruhig. Ihr wurden Vorratskammer, Gemeinschaftsraum, Küche, Zimmer der Söhne, Bäder und weitere kleinere Räume gezeigt und nur im Gemeinschaftsraum wurde erwähnt, dass immer für ein frisches Ikebana gesorgt werden und das Kakemono, also das Rollbild in der Bildnische, immer der Jahreszeit angepasst werden musste.  Im Anschluss wurde Sakura entlassen und durfte sich zurück ziehen. Morgen würde sie mit ihrer Arbeit beginnen. Als sie wieder im ersten Zimmer des Hauses, das Dienstmädchenzimmer, ankam, saß das Mädchen von zuvor vor dem Fenster und sah hinaus. Als sie sie bemerkte, drehte sie sich zu ihr um und lächelte sie aufmunternd an. 

 

„Du bist mit deiner Führung fertig, das ist schön. Wir kamen ja noch nicht dazu uns vorzustellen, ich bin Hinata Hyuuga.“ 

„Ich bin Sakura, Sakura Haruno.“

„Sakura. Ein sehr schöner Name. Kirschblüte“, murmelte sie und ließ ihren Blick wieder nach draußen schweifen, „Im Moment sieht der Garten etwas trist aus. Schließlich ist Winteranfang und der Schnee wird nicht mehr lange auf sich warten lassen, aber im Frühling“, sie seufzte theatralisch. „Im Frühling da blühen die Kirschblüten und alles leuchtet und glänzt. Ich liebe den Frühling, da riecht auch alles viel besser, findest du nicht?“ Sie unterbrach ihren Monolog mit dieser Frage und sah Sakura erwartungsvoll an. Sakura konnte diese Einstellung durchaus nachvollziehen und darum nickte sie lächelnd.

„Setz dich doch bitte zu mir“, meinte sie freundlich und deutete auf den Platz neben ihr. Sakura nahm diese Einladung an und ließ sich neben ihr nieder. Sie musste sich einen erleichterten Seufzer verkneifen, denn es tat unheimlich gut, nach so langer Zeit des Laufen und Stehens wieder sitzen zu können.

 

„Bist du eigentlich immer so schweigsam? Es stimmt, dass wir in Gegenwart unserer Herren nur reden dürfen, wenn wir gefragt werden, aber untereinander ist es nicht schlimm, wenn wir uns offen unterhalten.“ Wie um das zu unterstreichen, schenkte Hinata ihr wieder eines ihrer freundlichen Lächeln.

„Nein, eigentlich rede ich gerne, sogar richtig viel. Meine Eltern nannten mich deshalb oft einen Wasserfall.“ Beide Mädchen kicherten leise.

„Wie kommt es eigentlich, dass deine Eltern dich Sakura nannten? Hattet ihr in einer Gegend mit vielen Kirschbäumen gewohnt?“

„Nein es lag wohl an meiner  Haarfarbe.“ 

„Welche Haarfarbe hast du denn? Ich möchte dich nicht bitten deine Haube abzulegen, da es mir selbst zu wider ist“, jedoch starrte sie, wie im Kontrast zu ihren Wörtern, die weiße Haube auf Sakuras Haar an, als könne allein ein Blick sie ihr vom Kopf fegen.

„Ich bin über diese Haube eigentlich ziemlich dankbar. Ich weiß, dass es eine Pflicht ist, sie als Dienstmädchen zu tragen, aber sie gibt mir einen gewissen Schutz, vor gaffenden Blicken, weißt du? Meine Haarfarbe ist nämlich ziemlich ungewöhnlich. Sie war schon seit meiner Geburt so. Sie sind rosa.“ Hinata begann zu grinsen und Sakura runzelte die Stirn. Sie konnte nicht verstehen, was daran lustig war.

„Ich verstehe das. Auch ich sehe meine Haube als eine Art Schutz. Meine Haare sind blau.“

Darauf begann auch Sakura zu grinsen. Sie hatte gerade einmal ein paar Sätze mit diesem Mädchen gewechselt, jedoch fühlte sie sich jetzt schon stark mit ihr verbunden. Ob sie Freunde werden konnten? In diesem Moment wurde die Tür beiseite geschoben und ein Mädchen mit blonden Haaren betrat den Raum. Sakura erkannte sie als das dritte Dienstmädchen, da sie ebenfalls einen schlichten grauen Kosode trug, jedoch versteckte sie ihr blondes, leuchtendes Haar nicht unter einer Haube, sondern hatte es zu einem Knoten gebunden. Das Mädchen blieb mitten in der Bewegung stehen, als sie Sakura erblickte und ließ ihren Blick über sie wandern. Als sie fertig war, verengte sich ihr Blick und sie wendete sich abrupt von den Mädchen ab, schritt auf den Wandschrank zu und nahm etwas aus einem der Fächer hinaus, jedoch konnte Sakura nicht erkennen, was genau sie nahm. Danach drehte sie sich ruckartig um, zog die Schranktür schwungvoll zu und verließ das Zimmer. Sakura wandte sich gerade noch rechtzeitig um, um den kalten Blick mitzubekommen, den Hinata der Blonden hinterher warf. Sie verstand das nicht. Hinata war schließlich ein durch und durch freundliches Mädchen, doch scheinbar hielt sie nicht viel von der Blonden, denn Sakura hätte schwören können, Hass in den lavendelfarbenen Augen aufblitzen zu sehen. 

Als sie sich jedoch wieder Sakura zuwandte, war sie wieder die alte Hinata. 

„Wer war das?“

„Das war Ino. Ino Yamanaka. Sie arbeitet auch als Dienstmagd hier, jedoch ist sie ziemlich arrogant, egoistisch, kalt, herzlos und hält sich für etwas besseres, dabei wage ich zu behaupten, dass sie bei weitem weniger Wert ist, als einer von uns. Du wirst das schon noch merken.“

Sakura ließ es damit auf sich beruhen.


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