Sakura konnte in der ersten Nacht nicht gut schlafen. Die Hütte ihrer Eltern lag außerhalb der Stadt auf einer kleinen Lichtung, daher war es dort immer ruhig und sie schlief nachts ohne großartige Geräuschkulisse ein. Jedoch hier, mitten in der Stadt, war das anders. Es war laut und die Geräusche des Nachtlebens drangen bis zu ihr vor. Lautes Gelächter und das Klacken der hölzernen Getas gehörte noch zu den leisesten Geräuschen. Hinata hatte ihr noch geholfen ihre Sachen zu verstauen, ehe sie für sich und Sakura einen Futon herausnahm und in der Nähe der Wand ausbreitete. Sie und Hinata führten noch leise flüsternde Gespräche, die jedoch verstummten, als Ino zurückkehrte. Diese verstaute wieder etwas in dem Wandschrank, ehe sie sich ebenfalls einen Futon herausnahm und ihn zur anderen Seite des Zimmers zog. Dort breitete sie ihn aus und legte sich sofort hin. Sakura war sich sicher, dass Hinata eingeschlafen war und darum beobachtete sie Ino, die ihr den Rücken zugedreht hatte und schlief, oder vorgab zu schlafen. 

 

Als der Morgen anbrach und die ersten Lichtstrahlen durch das Fenster fielen, hatte Sakura gerade einmal ein paar Stunden geschlafen. Sie fühlte sich erschöpfter, als vorher. Hinata hatte ihr erklärt, dass die Dienstmädchen bei Morgengrauen aufstehen mussten, da die Herrin eine Frühaufsteherin war und ein ordentliches Frühstück erwartete. Somit schlug sie seufzend die Bettdecke zurück und fröstelte leicht, als die morgendliche Kälte sie erfasste. 

„Guten Morgen Sakura, hast du gut geschlafen?“, begrüßte Hinata sie und versuchte ebenfalls langsam aufzustehen. Sakura antwortete nicht, jedoch interpretierte Hinata ihren wehleidigen Blick genau richtig und begann zu kichern.

„Die erste Nacht ist immer hart und ungewohnt, aber du gewöhnst dich schnell daran und dann schläfst du trotz des Lärms fest wie ein Stein.“ Sie lächelte ihr aufmunternd zu. Beide Mädchen verstauten ihre Futons und verließen das Haus, um sich am Wasserhahn im Garten das Gesicht zu waschen. Hinata füllte einen Eimer mit Wasser voll, gab ihn Sakura und schickte sie in die Küche,    Reis kochen. Sakura tat, was Hinata ihr sagte. Sie hatte gerade das Wasser für den Reis aufgesetzt, als Mikoto Uchiha die Küche betrat. Sakura wendete sich ihr zu und neigte respektvoll den Kopf.

„Mein Mann und ich erwarten das Frühstück in fünfzehn Minuten. Kümmert euch darum, dass das alte Herbstlaub im Garten verschwindet. Wenn ihr das erledigt habt, könnt ihr auch etwas zu euch nehmen.“

Sakura nickte und Mikoto verschwand wieder. 

 

Daraufhin kam Hinata hinzu, kochte den Reis und fertigte Reisbrei zum Frühstück an. Sakura sah ihr dabei interessiert zu. Im Anschluss brachte sie das Frühstück zum Gemeinschaftsraum, wo Mikoto und ein Mann mit verschränkten Armen saßen. Sie servierte und setzte sich abseits in die Ecke des großen Raumes und senkte den Kopf.

Ein kurzer Blick, den sie auf den großen, breitschultrigen Mann erhaschen konnte, reichte aus, damit sie sich ein erstes Urteil über ihn erlauben konnte. Er hatte schulterlange schwarze Haare und trug einen grünen Kosode mit einem ziemlichen schmalen schwarzen Obi. Er hatte die Arme vor dem Oberkörper verschränkt und die Augen geschlossen. Er strahlte trotz der in sich gekehrten Haltung sehr viel Macht aus und er musste ihr nicht einmal einen Blick zuwerfen, um sie auf ihren Platz zu verweisen. Weder Mikoto noch ihr Mann sagten ein Wort während des Frühstücks. Sakura konnte es nicht verstehen. Mikoto war eine liebenswerte Frau, die einem ungebildeten Mädchen wie ihr eine Chance gab, aber dennoch hatte sie einen schweigsamen Mann, der Macht und Gewalt ausstrahlte. Sie beschloss diese Sache, auf sich beruhen zu lassen. Nachdem das Frühstück vorbei war, brachte Sakura das Geschirr in die Küche und säuberte es. Im Anschluss gesellte sie sich zu Hinata in den Garten um das Laub aufzusammeln. Die Arbeit mit Hinata zusammen machte ihr Spaß. Es freute sie, dass sie die Arbeiten, die im Haus anfielen, bereits gewohnt war und noch dazu hatte sie eine gute Freundin wie Hinata gewonnen. Ino war und blieb den gesamten Morgen verschwunden. Sakura wusste nicht, wohin sie immer ging, da sie ja höchstwahrscheinlich selbst Dienstmagd war und eigentlich die gleichen Aufgaben verrichten sollte, die auch sie und Hinata ausführten. Bei passender Gelegenheit würde sie dieses Thema bei Hinata ansprechen.

Als sie mit ihrer Arbeit fertig waren, bedienten sie sich an dem Rest des Reisbreis. Er schmeckte extrem gut und Sakura nahm an, dass das an der hohen Qualität des Reises lag.

 

„Hinata, was passiert nach dem Frühstück?“

„Wir müssen den Bestand prüfen. Sollte nichts anfallen, dann wird geputzt bis zum Mittag. Eine von uns wird dann das Mittagessen vorbereiten und nachmittags haben wir in der Regel bis zu zwei Stunden frei, solange keine extra Arbeiten anfallen.“

„Wird Mikoto-sama mich wieder einweisen?“

„Gut möglich. Sie macht das aber nur in der ersten Zeit, bis du dich an alles gewöhnt hast.“

Nach dem Frühstück kam Mikoto auch tatsächlich zu ihr und wollte ihr ihre neue Aufgabe zeigen.

„Meine Söhne sind im Moment nicht da. Zuerst wirst du das Zimmer von Sasuke, meinem jüngeren Sohn, sauber machen. Er ist bei weitem öfters zuhause als Itachi, darum ist es wichtig die Zeiten abzupassen, wenn er es nicht ist. Bei Itachi musst du nicht täglich putzen. Es reicht, wenn du alle zwei bis drei Tage sein Zimmer grob vom Staub befreist. Hier ist das Zimmer von Sasuke. Verändere nichts, er soll deine Anwesenheit bei seinem nächsten Besuch nicht spüren müssen. Die Bettwäsche wird nach jedem Besuch gewechselt und es muss auch genug Luft am Tag reinkommen. Säubere die Tatami-Matten richtig, damit ihr guter Geruch erhalten bleibt.“ Damit verschwand Mikoto wieder und Sakura stand allein in dem großen Raum. Sie konnte sich nicht daran erinnern, in diesem Haus ein größeres Zimmer, mit Ausnahme des Gemeinschaftsraumes, gesehen zu haben. Sie schob die Schiebetüren weit auf, damit frische Luft in den Raum konnte. Sie gab sich mühe, möglichst schnell fertig zu werden und nichts grundlegend zu verändern. Im Anschluss kümmerte sie sich um das Zimmer des Älteren. Als sie das Putzen beendet hatte, verstaute sie das Putzzeug und begab sich in Richtung Küche um Hinata bei ihrer Arbeit zu unterstützen. 

„Mikoto-sama hat mir gerade mitgeteilt, dass wir nach dem Essen zwei Stunden frei haben. Dann können wir uns etwas ausruhen.“ Sakura schenkte ihr ein Lächeln als Antwort. 

Die Mädchen nutzten ihre freie Zeit damit, dass Hinata Sakura die Stadt zeigte und sie herumführte.  Im Anschluss kauften sie frischen Fisch zum Abendessen auf dem Markt. 

Der restliche Tag verlief ruhig. Sakura säuberte die Wäsche und übernahm wieder einen Teil der Gartenarbeit. Zum Abendessen servierte sie wieder und wartete geduldig darauf, dass aufgegessen wurde und sie sich selbst bedienen durfte. 

 

Als Hinata und sie sich endlich in ihr Zimmer zurückziehen konnten, war es bereits dunkel.

„Hinata, darf ich dir eine Frage stellen?“

„Natürlich Sakura, um was geht es?“

„Um Ino“, mit diesem Namen veränderte sich Hinatas Gesichtsausdruck und nahm plötzlich kalte Züge an.

„Sie ist doch auch Dienstmagd hier, oder?“

„Ja, das ist sie.“

„Aber warum habe ich sie heute den ganzen Tag nicht gesehen? Hat sie keine Aufgaben zu erledigen wie wir?“

„Nun, das hatte sie einmal. Aber Ino hat ein Verbrechen begangen. Sie hat Schande über sich gebracht und über alle, die mit ihr zu tun haben“, Hinatas Verachtung der blonden Frau gegenüber war beinahe greifbar, „Sie darf in diesem Haus nur Arbeiten verrichten, die nicht zulassen, dass Gäste, die zufällig vorbeikommen, oder Nachbarn sie sehen. Sie kann froh sein, das Mikoto-sama so gnädig war und sie nicht vor die Tür gesetzt hat.“

Sakura konnte nicht nachvollziehen, weshalb Hinata Ino soviel Hass entgegen brachte. Was konnte das für ein grausames Verbrechen sein? Sie traute sich nicht zu fragen, denn die   Stimmungsänderung der glücklichen und lieben Hinata verängstigte sie. Die Antwort darauf hatte Zeit. Irgendwann würde sie es schon herausfinden.

Und so verging ihr erster Tag im Hause Uchiha.


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