Eine Woche war seit der Ankunft des Uchiha-Sprösslings vergangen und seitdem war Sakura ihm auch nicht mehr begegnet. Hinata hatte ihr erklärt, dass Sasuke tagsüber immer verschwand, erst spät abends wiederkam und dann sofort in sein Zimmer ging und dieses bis zum nächsten Tag nicht mehr verließ. Sakura war sehr froh darüber, den merkwürdigen Mann nicht weiter zu sehen. Dafür war er ihr viel zu unheimlich. 

 

Die Sache mit Ino und ihre unerwartet hilfsbereite Seite konnte sie jedoch immer noch nicht bei Hinata ansprechen. Sie hatte es einmal versucht, aber als sie nur den Namen Inos nannte, hatte ihre Freundin eine ungeahnte Kälte ausgestrahlt, dass Sakura der Mut verließ und sie beschloss, lieber zu schweigen und das Geschehnis mit Ino für sich zu behalten. 

 

Es war ein kühler Winterabend, als Sakura über die Veranda schritt und eine Stoffdecke als Schutz vor der Kälte um die Schultern gelegt hatte. Es war eine sternenklare Nacht und der Mond, der die Form einer Sichel hatte, erhellte den Garten des Anwesens und spiegelte sich im Wasser des Teiches. Sakura verlangsamte ihren Schritt und betrachte die Schönheit dieser Winternacht. Als sie wieder nach vorne sah, erschrak sie und hielt sogar für einen kurzen Moment die Luft an. Sie hatte gehofft, ihm aus dem Weg gehen und wieder rechtzeitig in ihrem Zimmer verschwinden zu können, jedoch war sie nicht vorbereitet gewesen. Er war früher wieder da, als sonst. Sofort wich sie zur Seite mit dem Rücken zur Wand, um ihm den Weg frei zu machen, und senkte den Kopf. Er blieb jedoch, wo er war. Sie spürte wieder seinen Blick auf ihr ruhen und begann automatisch zu erzittern. Warum ging er nicht weiter? Wie auf Kommando, setzte er sich in Bewegung und sie atmete erleichtert auf, da er nun gehen würde. Allerdings ging er nicht, wie sie erwartete, sondern blieb direkt vor ihr stehen und sah auf sie hinab. Sie starrte auf den Boden und betrachtete den edlen Holzboden zu ihren Füßen, wollte sich nicht auf den Mann konzentrieren, der nur wenige Zentimeter von ihr entfernt stand. Was sollte sie tun? 

Er nahm ihr die Entscheidung ab und erhob seine Stimme: „Sieh mich an.“ Sakura hörte ihn zum ersten Mal sprechen. Er hatte eine sehr männliche und kraftvolle Stimme. Ihr Blick glitt nach oben über seinen dunklen Kosode, weiter zur schwarzen Überjacke, auch Dobuku genannt, und endete in seinem Gesicht. Seine Gesichtskonturen waren eben. Seine schwarzen Haare umrahmten sein Gesicht, wie ein edles Gemälde. Doch das alles streifte ihr Blick nur. Sie wurde vollkommen von seinen schwarzen, tiefen, undurchdringlichen Augen in Besitz genommen, konnte den Blick nicht mehr abwenden. Er sah sie direkt an und sie glaubte, er könne in diesem Moment tief in ihre Seele blicken. Eine leichte Röte legte sich auf ihr vom Mondschein beschienenes Gesicht, denn noch nie war sie einem Mann so nahe gewesen. Er musterte sie, teilweise unnahbar, teilweise interessiert. Sie fühlte sich wie ein Fisch auf dem Markt, den man ansah und versuchte, seinen Preis einzuschätzen. Neben diesem Mann, der so viel Größe und Macht ausstrahlte, fühlte sie sich klein. Sie war eine Dienstmagd und es war ihr nicht erlaubt ihrem Herren so nahe zu kommen. Würde man sie sehen, könnte man sie sofort vom Hof jagen und mit Schande nach Hause zu den Eltern zurückschicken. Aber dennoch wollte Sakura sich ihm nicht entziehen, wollte ihm länger in die Augen sehen und von einer anderen Welt träumen. Nur ganz leicht bemerkte sie, wie sich sein Kopf dem ihren näherte, doch plötzlich, wie aus einer Trance erwacht, zuckte er zurück und sah sie abschätzig an, drehte sich weg und ging davon. 

 

Nach einer gewissen Zeit, in der Sakura einfach nur dagestanden hatte und ins Nichts starrte, fand sie wieder in die Realität zurück und plötzlich spürte sie die Kälte, die sie umgab. Sie zog die Decke enger um sich und begab sich in ihr Zimmer. Sie war innerlich aufgewühlt und Taubheit machte ihr zu schaffen. Nicht nur ihre Finger, die taub von der Kälte geworden waren, schmerzten sie, sondern auch das Gefühlschaos, das in ihr wütete.  Sie fühlte sich verunsichert, beschämt und verängstigt, aber sie hatte auch ein Gefühl erfahren, dass sie noch nicht kannte. Sie hatte sich für kurze Zeit begehrenswert gefühlt. Es plagten sie Schuldgefühle, weil sie wusste, dass es falsch war. So falsch…

Sakura legte sich auf ihren Futon und zog ihre Bettdecke enger um sich, und hoffte, dass nicht nur die äußere Kälte von ihr abfallen würde. Hinata drehte sich in diesem Moment zu ihr um und sah sie an. Ino war nicht da. Seit dem Vorfall in jener Nacht kam sie abends noch später.

„Ganz schön kalt draußen, stimmts?“, fragte Hinata liebevoll und lächelte ihr aufmunternd zu, da sie scheinbar das Klappern ihrer Zähne gehört hat. 

„Ich glaube, die Winter werden immer kälter, es wird wahrscheinlich auch bald anfangen zu schneien“, bemerkte sie seufzend und Sakura nickte zustimmend. Hinata beobachtete sie genau und merkte, dass etwas passiert war.

„Was ist los? Du wirkst so… bedrückt.“

„Ich bin heute wieder Sasuke-sama begegnet“, entgegnete Sakura und schloss für einen kurzen Moment die Augen, „Er… er hat mich angestarrt.“

„Aber daran musst du dich doch langsam gewöhnt haben. Er ist unser Herr und da ist es normal, dass er dich beobachtet. Er will wissen, wie du dich anstellst“, Hinata versuchte ihr aufmunternd zuzulächeln, doch Sakura schüttelte mit dem Kopf.

„Nein, heute war das… anders. Damals, als er mich beobachtet hat, da war es wahrscheinlich so, wie du sagst, ja, aber heute… er hat mich nicht als seine Magd angesehen, verstehst du, sondern vielmehr wie…“, ihr fehlten die passenden Worte und sie beendete den Satz nicht, sondern drehte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Sie rief sich die dunklen, forschenden Augen des Uchihas in Erinnerung und erschauderte.

„Wir sollten schlafen“, meinte Hinata und drehte ihr wieder den Rücken zu. Nicht nur der plötzliche Themenwechseln ließ Sakura aufhorchen und ihrer Freundin einen Blick zuwerfen, sondern auch der Unterton der in ihrer Stimme mitschwang, verwunderte Sakura. Er klang… verachtend. Aber Sakura war sich sicher, dass sie sich das bloß eingebildet hatte. Es dauerte nicht lange und Sakura fiel in einen traumlosen Schlaf.

 


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